Archiv für die Kategorie Kultur

Zwei Monate her, zwei Monate hin

Zwei Monate ist es her, dass ich den letzten Blogeintrag veröffentlicht habe … höchste Zeit also, einen Neuen zu schreiben 😉

Und weil ich die letzten zwei Monat so unzufrieden mit meinen schriftstellerischen Fähigkeiten war, kommt jetzt ein eher auf Fotos betonter Eintrag, der versuchen wird, die letzten zwei Monate Revue passieren zu lassen.

Die wildeste Attraktion: Riesenrad mit sich überschlagenden Kabinen

Im Mai machte anlässlich der Stadtgründungsfeiern ein Vergnügungspark in Condega Halt. Es gab Riesenräder, Karuselle und Zelte mit Saufgelagen zu sehen. Nachts wurden Lichter eingeschalten und natürlich spielte durchgehend viel Musik. Das hatte einen erhöhten Stromverbrauch zur Folge, welchen der zuständige Transformator gleich am ersten Tag nicht überlebte und den gesamten Platz dann den gesamten Monat auf Generatoren angewiesen war.

Ach ja, eine Kinderschiffsschaukel gab es auch noch 🙂

Dann, Ende Mai wurde die Stadtgründung mit einem Fest namens „Los Hipicos“ gefeiert. Dafür holte jeder Pferdebesitzer Condegas alle seine Pferde aus den Ställen und führte sie den großen Zuschauermassen vor. Wenn das jedes Jahr so aussieht, dann verstehe ich nicht, wieso überhaupt noch jemand hingeht, denn wirklich viel Spannendes gibt es nicht zu sehen – Pferde halt:

Viele Menschen, ...

... Cowboyhüte ...

... und Pferde

Und dann, eines schönen Sommertages, Anfang Juni, spielten die Kinder Chibolas. Chibolas ist ganz einfach als Murmeln zu übersetzen, die Art und Weise, mit ihnen zu spielen kannte ich jedoch nur andeutungsweise aus Comics: Man zeichnet einen Kreis und eine Linie in den Sand, etwa zwei Meter voneinander entfernt. Dann legt jeder Mitspieler eine Murmel in den Kreis, quasi der Einsatz. Wer dann (eine neue Murmel vom Kreis weg geworfen) am nähesten an der Linie liegen bliebt, fängt an und wirft nun in die andere Richtung, auf den Kreis zu. Wenn alle geworfen haben beginnt die Reihenfolge von vorne und der Erste versucht Murmeln aus dem Kreis zu katapultieren, indem er sie mit der eigenen Wurfmurmel abschießt. Das klingt jetzt vielleicht einfach, aber da ist schon etwas Technik gefragt, zu fest gedrückt, geht nichts und man bricht sich fast die Finger, zu leicht gedrückt plumpst sie ohne große Kraft gleich in den Sand. Aus dem Kreis katapultierte Murmeln gewinnt man, wenn die Wurfmurmel aber innerhalb liegen bleibt,  gehört sie automatisch dem Nächsten und man setzt bis zur neuen Runde aus.

Und weil Murmeln auch so ziemlich genial aussehen, wieder ein paar Fotos:

Anvisieren und Abdrücken

Im besten Falle gewinnt man 😉

Fülltext, damit die Fotos gut formatiert werden …

Was murmeln die denn da vor sich hin?

... und die Müllabfuhr spielt Schulbus

Dann noch kurz ein Bildkommentar zur Fortbewegung in Nicaragua:

Abseits der Panamericana ist vieles erlaubt ...

Zeilenumbruch

Am 19. Juni wurde endlich der Tag der Kinder gefeiert. Wir (Promotoren) führten ein Stück von Chavo del 8 auf, eine Fernsehserie, die im lateinamerikanischen Raum ähnlichen Kultstatus besitzt, wie Mundl in Österreich. Fotos traue ich mich keine zu zeigen, die Fotografin (ich hatte ja eine Rolle, da konnte ich schwer fotografieren) hat da zuviel verbockt 😛

Eintritt nur mit gültigem Ticket

Zum Abschluss gab es Eis von Eskimo

Und dann war da noch der Ausflug nach Venecia. Ja, zu deutsch heißt das Venedig und kurioserweise überquert man ein Bergmassiv namens Los Alpes. Na gut, massiv war es nur, weil wir es per Rad bestritten, aber wird schon ungefähr 100 bis 200 Meter über Condega liegen. Und 15 Kilometer weiter gen Osten. Klar, das ist jetzt keine große Steigung, aber mit den verfügbaren und in der Gruppe hin- und hergetauschten Rädern war es durchaus eine Aufgabe.

10 Fahrräder, 11 Mitfahrende

Gestartet wurde um halb 8 morgens, um halb 12 waren wir endlich bei unserem Mittagessen, aber noch fünf Kilometer von Venecia entfernt. Anfangs hatten wir mit richtig heftigem Regen zu kämpfen, bis zur Hälfte der Strecke klang er glücklicherweise etwas ab, die „Straße“ – de facto eine Staubpiste – hatte sich aber trotzdem schon in eine Schlammpiste verwandelt. Dementsprechend sahen wir dann auch aus 😉

Der Weg als Ziel?

Dreckig von Fuß ...

... bis Kopf

Das Mittagessen nahmen wir 5 Kilometer vor Ziel in Angriff. Wir besiegten es ziemlich überlegen. Auch die Hunde vor Ort bekamen ihr Fett weg, was offenbar sonst nie der Fall ist – typisch nicaraguanische Hunde halt: Unvorstellbar dürr.

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Ein Panorama 5 Kilometer vor dem Mittagessen

Meins! Meins! Meins!

Nicht ein Krümelchen blieb übrig ...

In Venecia gab es dann wenig Spannendes zu sehen, lediglich einen kinoreifen Sturz später gings deshalb schon wieder Richtung Condega. An unserer Labstelle (das Haus einer Tante eines der Jugendlichen) ließen wir die jüngsten unter uns zurück (sie fuhren dann mit dem Bus), damit war Geschwindigkeit kein Problem mehr. Es wurde gebrettert was die Räder herhielten – was nicht viel ist, bei so vielen kaputten Bremsen und Reifen.

Zirkusreife Akrobatik für Anfänger

Ja, und das war eigentlich schon wieder ziemlich alles, diese Woche wird nur halbtags unterrichtet, weil eine Woche Schulferien sind.

Zwei Monate hin, bis zum Finale einer absolut erlebenswerten Reise ans Ende der Welt …

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Visen, Chaos und ein neuer Anfang

Na gut. Dann schreib ich halt wieder mal was 🙂

Es ist nämlich so: Nachdem mein Visum ja am 7. oder 8. Februar auslief (die Ungenauigkeit rührt von der Ungewissheit der Zählweise her), ich aber dummerweise zu lange wartete, ging am 3. Februar zur Migration in Estelí. Dort konnte man mir nur mitteilen, dass es nur zweimal möglich ist, ein dreimonatiges Visum im „normalen“ Verfahren zu erlangen. Die offizielle Variante in solchen Fällen wäre außerdem auszureisen, 72 Stunden zu warten und wieder einzureisen. Nachdem Honduras (für mich die nächste Grenze) netterweise mit Nicaragua ein gemeinsames Visumssystem betreibt, würde die Reise also nach Costa Rica führen müssen.

Am Freitag wurde ein neuer Anlauf gestartet, diesmal ausgerüstet mit Arbeitsbelegen, Briefen von Fraternidad und Bürgermeister und Gastmutter Martha. Die Dame hinterm Schreibtisch laß sich alles durch, konnte aber nur auf eine eventuelle Lösung des Problems in Managua hinweisen. Am Nachmittag rief ich also im österreichischen Konsulat an, welches es eigentlich gar nicht gibt. Deshalb wird man auch automatisch ins Büro für österreichische Entwicklungzusammenarbeit weitergeleitet, wo ich der zuständigen Dame auf Deutsch mein Problem erläuterte. Diese meinte, ich solle doch so schnell wie möglich nach Managua kommen, alle Unterlagen mitnehmen, die vielleicht von Bedeutung sein könnten, vorher aber meine überzähligen, sprich, visumslosen Tage in der Migration zu bezahlen, sonst würde es wahrscheinlich nicht funktionieren.

Also am Montag wieder auf nach Estelí, diesmal schon bekannt und sogleich zum Chef des Hauses geführt. Die folgende Viertelstunde kümmerten sich zwei Angestellte und der Chef darum, eine mögliche Lösung zu finden, gaben mir schließlich den Rat, es in Managua zu versuchen. Dort gäbe es diese und jene Person, die mir helfen würde. Wenn es noch Probleme gäbe, sollte ich einfach den Chef persönlich am Handy anrufen.

Dienstag dann auf nach Managua. Damit uns die Zeit nicht davonläuft fuhren wir schon im Bus um sechs Uhr in der Früh. Um kurz vor neun saßen wir im Taxi zur Migration und keine Stunde später standen wir wieder auf Feld eins. Der Schalterbeamte hatte mir zwar nach seiner eigenartigen Zählweise noch drei Tage mehr Visum konstatiert, aber nur stur auf die Ausreise verwiesen, da konnte auch der Chef aus Estelí nichts mehr ausrichten. Um aber dann doch nicht völlig umsonst nach Managua gefahren zu sein, rief ich noch im österreichischen „Konsulat“ an und schilderte nochmals das aktuelle Problem. „Egal, kommen Sie trotzdem.“ Also auf ins Taxi und quer durch die Stadt. Dort wurden dann innerhalb einer halben Stunde Daten angegeben, korrigiert und weitergeleitet, Pass eingezogen und die erste Entschuldigung seit Jahren verfasst und unterzeichnet. Aber nicht an den Lehrer wegen Fernbleiben des Unterrichts, sondern wegen Passlosigkeit an eventuell kontrollierende Migrationspolizisten.

Jetzt sollte die Frist bald verstrichen sein und damit mein Visum, ergo mein Pass, vermutlich fertig; mal sehen, wie lange die Mühlen der Bürokratie diesmal arbeiten.

Im Projekt wurde es in letzter Zeit wieder chaotischer, am 15. Februar wurden die Schulen und auch das Zentrum mitsamt seinen Kurse erstmals wieder für Kinder geöffnet. Nachdem aber von den zur Zeit etwa 200 eingeschriebenen Kindern nur etwa zwei Drittel erscheinen, noch keine Hausübungen mitbringen, viele zum ersten Mal dabei sind und der Kurs Nachhilfe völlig neu besetzt wurde, herrscht noch etwas Verwirrung, wer wieso wo und wann zu sein hat. Schon zu Anfang wurde dem Chaos des letzten Jahres, der fehlenden Motivation einiger Mitarbeiter und der Einfallslosigkeit mancher Programme der Kampf angesagt, was sich doch schon mal gut anhört. Wie dies allerdings geschehen soll, wo doch gerade eine Aufbruchsstimmung der nicht sehr netten Art herrscht: Die vielfach geführte Diskussion des unbestreitbar viel zu niedrigen Gehalts wurde intensiviert und führt bei einigen Promotoren immer mehr zu Gedanken ans Aufhören.

Wieder zu erfreulicherem: Gestern, Freitag wurde die Willkommensfeier in La Fraternidad veranstaltet. Schon am Dienstag wurde ein Grundkonzept für das gesamte Fest erstellt und Rollen, beziehungsweise Aufgaben verteilt. Ich war ganz überrascht, wie früh man selbst in Nicaragua Dinge planen kann, wenn nur jemand – dem auch geglaubt wird – sagt, es solle doch endlich damit begonnen werden. Heute Nachmittag wurde das natürlich wieder etwas relativiert, weil doch einiges fehlte. Aber mit ein bisschen Spucke und Spontanität wurde alles mehr oder weniger gut gelöst. Nachdem die Spiele von uns „Ausländern“ gestaltet wurden, lieferten wir auch den Großteil des Programmes und viel spieletechnisch Neues.

Die Schummelpolizei muss einschreiten

Begonnen wurde mit zwei Runden Bananen-Wettessen. Mit verbundenen Augen im Duett, viel Geschrei, Gelächter und nicht ganz schummelfreiem Verlauf 😉 .
Danach wurde in 50-Liter-Mehlsäcken um die Wette gehüpft. Zuerst traten zwei Burschen, dann zwei Mädchen gegeneinander an. Die dritte Runde wurde zum lautstark bejubelten Kampf der Geschlechter, Bursche gegen Mädchen. Nach drei Viertel der Strecke stürzte der bis dahin klar in Vorsprung liegende Knabe und überließ damit ungewollt seiner Konkurrentin den Sieg. Ab diesem Zeitpunkt kamen die Kids immer mehr in Stimmung und es wurde mit jeder Minute lauter. Für die Moderatorinnen wurde es dadurch trotz der Unterstützung der Promotoren immer schwieriger, sich Gehör zu verschaffen.

Marlito kann locker ins Ziel hüpfen, während sein Kontrahent ein wahres Massaker an den Slalomstangen anrichtet

Bei den Damen geht es da schon knapper zu

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Aber hier ist plötzlich das gesamte Publikum mit dabei

Kistenrennen mit allzu am Boden festpickenden Schachteln

Trotzdem wurden noch zwei Runden Kistenschieben veranstaltet und zweimal Sesselgetanzt.

Danach wurde versucht den beinahe traditionellen Wetttanz zu starten, den ich aber erfolgreich unterbinden konnte. Wieso? Weil ich selbigen inzwischen als absolut entbehrlich empfinde. Ein paar Mädchen tanzen und nach jeder Runde wird ein Pärchen vom Publikum rausgewählt. So weit so gut. Die Stimmung und besonders die Beliebtheit der Mädchen entscheidet dann, ob es mehr Geklatsche oder Gebuhe gibt, welches man den Kindern als „Erziehungsbeauftragter“ ja eigentlich ersparen sollte. Stattdessen wurde Linas Idee des Zeitungstanzes aufgegriffen, die eine neue Erfahrung für alle und meiner Meinung nach einen gelungenen Abschluss darstellte.

Penibel wird die Technik studiert und dann Tips und Tricks ausgetauscht

Dabei tanzen Pärchen auf jeweils einer Seite Zeitungspapier, dürfen den Boden aber nicht berühren, sonst wird fliegen sie  raus. Sobald der Moderator das Zeichen gibt, wird die Seite einmal auf die Hälfte gefaltet und schon gehts weiter. Der Witz dabei ist natürlich, dass man immer weniger Platz hat und sich irgendwie einfallen lassen muss, wie man auf so wenig Standfläche zwei Personen unterbringt – und dabei das Tanzen nicht auch noch vergisst. Ab Faltung Numero drei wurden die beiden übrigen Paare von allen Seiten mit Tips und Tricks überhäuft, angefeuert und – wenn nötig – gestützt.

So sieht es dann aus, wenn eigentlich nur mehr ein Fuß Platz auf der Zeitung findet

Der leicht schale Beigeschmack, den einige Kinder mit ihrem Benehmen verursachten war wieder vergessen und noch schnell die unausgesprochene aber deutlich sichtbare Forderung nach Süßigkeiten erfüllt, dann ging alles und jeder nach Hause, war ja schon wieder halb fünf Uhr.

So siehts aus, meine Freunde, so ist das!

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Ja, ich bin noch hier ;)

Und hier bin ich wieder mal!

An unserem (zur Erinnerung: Besuch aus Österreich) letzten Tag fuhren wir kreuz und quer durch Managua auf der Suche nach Sehenswertem. Zuerst zum Revolutionsplatz, der von einer alten Kirche, dem ehemaligen Regierungspalast, der Villa des Präsidenten Daniel Ortega und einem Park mit Denkmäler eingekreist wird. Nach einer halben Stunde im zum Nationalmuseum (das bis zur präkolumbianischen Ära vergleichsweise gut beschriftet ist und danach zur Kunstausstellung diverser (Hoch-)Schulen wird) umfunktionierten Regierungspalast gings nach einem Umweg über eine der wenigen touristischen Uferstellen des Sees nach Tiscapa, einem Vulkankrater mit Lagune mitten in Managua. Da dies auch der höchste Punkt in der Umgebung ist, steht natürlich eine 10 Meter hohe Silhouette von Sandino dort. Oben angekommen waren wir erst mal erstaunt, wie wenig das Bild einer Großstadt gleicht. 1972 zerstörte ein Erdbeben der Stärke 5,6 bis 6,2 ungefähr 90% der Bausubstanz, lediglich das Gebäude der Bank of America blieb quasi unversehrt stehen.

Was wir nicht wussten, war die Tatsache, dass über die Lagune Tiscapa eine dreiteilige Seilbahn aufgebaut ist, auf der man per Klettergurt angekettet nach unten brausen kann. Das mussten wir natürlich trotz Bargeldknappheit ausprobieren. 300 bis 500 Meter lang sind die drei Teilstrecken, leider ist es aber viel zu schnell vorbei. Dieselbe Firma bietet auch am Mombacho solche Seilgärten an, die allerdings zwischen riesig dicken Bäumen gespannt sind und bis zu 30 Stationen umfassen. Das nächste Mal werde ich also nicht nur an den Schreien im Wald vorbei gehen, sondern mitmachen 😀 .

Zum Schluss kann man wie Superman das Seil entlangbrausen

Da gehts dann hinunter mit einem "Murdshodan"

 

Danach ging es noch schnell zu der neuen Kathedrale Managuas, die sich durch eine überraschend moderne Architektur auszeichnet.

Die Catedral Metropoliana Inmaculada Concepción de Managua

Eine sehr helle, geradlinige und doch angenehme Kirche

Um jetzt noch die letzten Tage seit der Abreise meiner beiden Besucher revue passieren zu lassen, eine kurze Zusammenfassung: Am 5.1., direkt nach der Verabschiedung ging ich aus dem Flughafen hinaus um mich über meinen Bus zu erkundigen. Weil mich ein Taxifahrer ansprach, dachte ich, der würde mir vielleicht verraten, ob die Expressbusse auch hier, direkt vor dem Flughafen (wo sie ja vorbeifahren) halten und zusteigen lassen würden. Das sollte sich aber als ein Fehler herausstellen, der mir letztendlich meine Reise um fast zwei Stunden verlängerte. Klar, der Taxler wollte Geld: 5US$ für eine Reise von zehn Minuten 😐 . Während ich also noch mit einem Polizisten sprach, düste gerade ein Bus vorbei. Bis ich realisiert hatte, dass das meiner sein könnte, war er schon wieder am Horizont verschwunden. Mir wurde vorgeschlagen, den Bus per Taxi einzuholen … nur doof, dass sich in den nächsten zehn Minuten kein Einziges blicken ließ.

Nachdem der Plan also definitiv geplatzt war, wartete ich trotzdem auf ein Taxi, diesmal aber mit dem Ziel Busbahnhof. Meine Frage nach dem Preis wurde mir vom Fahrer mit 100C$ beantwortet. Wie gut, dass mich im Vorfeld Gastmutter Martha angerufen hatte, um mir zu sagen, dass man auf keinen Fall mehr als 60C$ zahlen soll. Mein Vorschlag, mich für weniger Geld zu chauffieren gefiel dem Taxler nicht so gut, was sich aber schlagartig änderte, als mein netter und hilfsbereiter Polizist von vorhin den Kopf zum Taxi hineinstreckte und meine Zieldestination nochmal wiederholte, damit sich da keine Probleme ergeben 🙂 .

Den Busbahnhof habe ich anfangs vom Aussehen her mit einem illegalen Spielehinterhof verglichen. Ich kann diese Ansicht inzwischen revidieren, da muss mir wohl der Kulturschock mitgespielt haben: Es sieht aus, wie es für nicaraguanische Busbahnhöfe üblich ist, rumpelige Straßen, wuselnde Straßenverkäufer, brüllende Buschauffeure und von blitzblank sauberen bis hin zu fast auseinander fallenden Bussen ist alles vertreten – solange es sich um Bluebird Ami-Schulbusse handelt. Zum Glück fand ich gleich einen Bus, der mich nach Condega bringen würde, also eingestiegen und auf Abfahrt gewartet. Schon beim hinsetzen bekam ich Probleme mit dem Sitz vor mir, da schlicht und einfach zehn Zentimeter Kniefreiheit fehlten. Nachdem wir aber erst in Estelí soviele Zusteiger hatten, dass es auch mich betraf, saß ich fast die gesamte Fahrt seitlich über zwei Sitze ausgebreitet.

Der vorhin erwähnte Fehler, mit dem Taxler versuchen, auf einen Konsens in Sachen Bus zu kommen, wurde bei den ersten richtigen Steigungen bewusst, auf denen uns ausnahmslos jeder überholte, weil sich der Bus nur noch auf dem Zahnfleisch kriechend fortbewegte. In Zahlen bedeutet das: 10% Steigung, 1. Gang, 5km/h – was auch äquivalent zu 100% „voll doof“ ist. Nach dreieinhalb Stunden Fahrt kam ich endlich in Condega an – normalerweise dauert so eine Fahrt mit dem Express zweieinhalb Stunden. Dazu kam noch, dass der Bus eine Stunde später abfuhr …

Seither ist nicht viel erzählenswertes passiert. Ich habe wieder begonnnen in La Fraternidad zu arbeiten, habe dort Computer gesäubert (unglaublich, wieviel Staub in drei Monaten den Weg in die Maschinen findet), neu aufgesetzt, in Schuss gebracht, an der Homepage für das Projekt und vielen Kleinigkeiten gearbeitet. Zwischendurch hatte ich auch mal eine Woche lang Grippe – wir sagen dazu Husten und Schnupfen – derentwegen ich viel Zeit im Zimmer verbrachte, was auf schräge Blicke und Unverständnis bei der lokalen Bevölkerung gestoßen ist. Es wurde sogar behauptet, dass man dadurch noch länger krank bleibe … ach die Gesundheitsvorstellungen der Nicas 😀 .

Dass mein Visum am 7.2. wieder mal ausläuft hat mir in Erinnerung gerufen, wie schnell die Zeit vergangen ist. Die Halbzeit naht schon und es fühlt sich an als wäre man schon ewig aber doch erst ein paar Tage hier …

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Last but not Least

Einen Bericht wert sind zum Abschluss noch zwei Ereignisse: Silvester und das Schnitzel-Essen.

Ersteres fand traditionellerweise am 31.12. statt. Wir durften uns wieder auf zwei Piñatas freuen, und taten es auch 🙂 . Selbe Zeit, selber Ort wie zu Weihnachten. Die Piñatas waren etwas einfach zu zerstören als damals und die Zuckerl waren schnell zusammengerafft. Dann war Seilspringen an der Reihe, doch lange konnte uns das auch nicht beschäftigen. Darum begleiteten wir die Nachbarn beim Kauf von Krachern, Böller und ähnliches. Krachmacher jeglicher Art also. Mit diesen füllten wir dann unseren „Alten“. Das ist Tradition hier. Es wird eine Puppe gebastelt, die dann angezogen wird und mit Krachmachern gefüllt zu Mitternacht angezündet wird. Weil sie haben es gern immer schön laut, die Nicas.

Die Mitternachtseinlage

Um zehn vor zwölf fingen ein paar Sirenen an zu heulen, was gleich als Mitternacht interpretiert wurde und es wurde alles angezündet, was eine Zündschnur hatte. Fünf Minuten später heulte noch einmal eine Sirene, da war aber schon der Großteil der Menschen am Tanzen oder Feuerwerkschauen. Und dann gab es zu Essen: Churritos. So etwas Leckeres hab ich schon lange nicht mehr gegessen. Zum Abschluss wurden kleine Geschenke ausgeteilt. Im Großen und Ganzen kann ich behaupten, dass das mein schönstes Silvester seit langem war. Es war lustig, interessant und lecker.

Dass Schnitzel machen in Nicaragua so schwierig ist, konnten wir ja nicht ahnen. Kalb gibt es nicht, Schwein ist über die Feiertage vergriffen und auch den Truthahn gab es nicht mehr. So mussten wir auf das beliebteste Tier der Nicas zurückgreifen: Huhn. Sehr typisch war es also nicht. Auch der Semmelbrösel-Kauf war eine Schwierigkeit für sich.
Doch wir, Kämpfernaturen wie wir sind, konnten alle Steine aus dem Weg räumen und selbst der Ofen und die etwas fremde Küche konnten uns nicht aus der Ruhe bringen. Etwas zu spät aber doch war also das Festmahl fertig und ja, es schmeckte hervorragend. Es blieb nichts übrig. Also jedem schmeckte es und zugegebenermaßen war es zu wenig.
Was wir nicht wussten: es wurde eine Überraschung vorbereitet. Adriana und Gabriel hatten sich ein paar Spiele ausgedacht und so wurde zu Musik und mit viel Geschrei verschiedenstes gespielt. Dadurch lernte ich neue lustige Spiele kennen die ich bei nächster Gelegenheit zuhause ausprobieren werde. Hütet euch. Mit einer Partie „Phase 10“ ließen die Stärksten der Starken den Abend erst in den frühen Morgenstunden ausklingen.

Der nächste Tag war der Tag der Abreise. Nichts und niemand konnte daran etwas ändern, leider. Alle Freunde und Verwandten waren da um uns zu verabschieden. Mir war nicht bewusst, dass man selbst durch eine Sprachbarriere und eine kulturelle Barriere Freundschaften aufbauen kann.
Da sie mir mehr als einmal das Versprechen abnahmen Wiederzukommen, muss ich das wohl tun. Ich freu mich jetzt schon auf ein Wiedersehen bei dem ich hoffentlich schon Spanisch kann!

Lena beim Hängemattenkauf

Nur noch ein Besuch in Masaya und ein Tag in Managua bis zum Abflug. Man kann sagen: zu kurz.

Also Nicaragua: I’ll be back 😉
Helena

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Es weihnachtet nicht so sehr

An Weihnachten bastelten wir feierlich eine Piñata für Jóse, denn der hatte am 24.12. den 9. Geburtstag. Fabian und ich, kreativ wie wir sind, entschieden uns für eine Auto-Piñata. Am Anfang schaute das ganze nur leider einem Auto gar nicht ähnlich. Und das blöde Krepppapier hatte ebenfalls seine Tücken, wirft Falten, wo keine hin gehören und verliert bei zuviel Kleber die Farbe. Aber mit einigen Details, die ein Auto zum Auto machen (Licht, Fenster, Spoiler, Reifen, Nummernschild), wurde es endlich erkennbar. Wir waren zufrieden.

Jóses roter Flitzer

Am Abend wussten wir immer noch nicht wie das Weihnachtsfest ausschauen würde und ich war schon ganz aufgeregt. Um 7 Uhr ging es dann zur Nachbarin (Handarbeitslehrerin Belma) und wir nahmen unsere schöne Piñata mit. Jóse freute sich sehr, was mich wiederum sehr freute. Sogar eine Umarmung bekamen wir von dem süßen, kleinen Kerl. Dann ging es aber zum Zerschlagen des wunderschönen Autos. Augen verbunden, Musik an und Stecken in der Hand, so beginnt das ganze Spiel. Dann muss man versuchen das Ding zu treffen. Gar nicht so leicht, nebenbei sollte man nämlich auch noch tanzen. Trotz des sicher sehr schlechten Abschneidens beim NCAP Crashtest (was auf den absolut dünnen Karton anstatt der Stahlkarosserie zurück zu führen war 😉 ) hielt sich unsere Konstruktion sehr lange mit dem Austeilen der Süßigkeiten zurück. Als es dann soweit war, stürzten sich natürlich alle anwesenden Kinder aus Nachbarschaft und Familie auf die süße Beute.

Wenn man genau hinsieht: Jóses roter Flitzer 😉

Die zweite Piñata (der gelbe Bär) wurde von mir persönlich eingeweiht. Bei Papa rissen dann sämtliche Stricke und dreimal fiel die Piñata ungeöffnet zu Boden. Beim Versuch, sie in der Hand haltend windelweich zu prügeln, brach dann auf einmal der Stock entzwei – größeres Gelächter hätte man vom Publikum nicht mehr verlangen können 😀

(M)Ein Bär - Alle Extremitäten abrasiert

Danach gab es Eis im Plastikbecher und dann wurde getanzt. Nach anfänglichem Zögern meinerseits (ich weiß ich bin feig, aber vor versammelter Menge alleine tanzen ist nicht so meins, noch dazu wenn ich nicht verstehe was die Leute sagen!!) wurde Papa von der hübschen 13-jährigen Márie aufgefordert. Mädchen in Nicaragua kennen solche Zweifel anscheinend nicht. Später wurde auch ich überredet und Adriana zeigte mir typisch lateinamerikanische Tanzschritte. Eigentlich hat alles nur mit den Hüften zu tun. Papa und Fabs hatten so ihre Schwierigkeiten, denn als europäischer Mann muss man die Hüften nicht verwenden. Der Versuch sah richtig lustig aus. Vor allem Fabs hat anscheinend einen Besen geschluckt (was auch die Größe erklärt). Ich stellte mich nicht so „potschad“ an. Da kamen mir die vielen Übungsstunden in diversen Discos zugute :).

Zirka um halb elf Uhr wurde das Mitternachtsessen vorgezogen und die ganze Familie fand sich im Hause Marthas ein um die drei vorbereiteten Hähnchen zu vernichten – was zur Hälfte gelang 🙂 . Dann teilten wir Kekse, Kuchen und Weihnachtsstollen aus, also alles was wir aus Österreich von den verschiedensten Leuten mitbekommen haben (hiermit noch einmal ein großes Dankeschön). Geschenke gibt es übrigens nicht am 24. nicht sondern am 31.Und nach einem Gläschen Merlot ging es dann auch schon ins Bett.

So war unser Weihnachten. Nicht pompös und nicht großartig speziell.

Also dann, bis zum nächsten Mal, wenn es heißt: „Von Las Vegas und Höllenritten“
Helena

Jóse fädelt das Seil wieder ein

Alles nicht so leicht wie es vielleicht aussehen mag ...

 

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Die kleine Schwester berichtet

Hallihallo an alle interessierten Leser,

ich, Helena, werde nun meinen Bruder vertreten, da dieser zu faul ist Bericht zu erstatten. Dafür hat er jetzt das Vergnügen, Bilder zu suchen, fertig zu machen und das alles gemeinsam auf hochzuladen 😛 . Seit 20.12. am Abend sind wir, ich und mein werter Herr Vater, in Nicaragua. Nach einigen Komplikationen, endlich! Todmüde von der langen Reise ließen wir uns nur noch vom Chauffeur ins Hotel fahren.

Granadas Kathedrale

Am nächsten Tag liefen wir mit der Kirche ums Kreuz zu unserem Mietauto, und dann düsten wir schon los. Die ersten Minuten auf den Straßen waren gleich eine Umstellung; vor allem die vielen Hügeln, die zum langsamer fahren gedacht sind, wurden uns so manches Mal zur Material prüfenden Hürde.

Der leider völlig unbenutzte Strand.

Die erste Station unserer Reise war Granada. Da irrten wir auch einige Zeit ohne Plan durch die Straßen. Ich als reiner Mitfahrer hatte viel zu schauen, die anderen zwei hatten viel zu denken, fluchen und zweifeln. Doch schließlich fanden wir unser Hotel, Hotel Con Corazon, was sich als sehr nett, einladend und gemütlich erwies. Ein Innenhof mit schönem Garten, Hängematten und Plastikchristbaum. Was gibt es schöneres? Wir, voller Tatendrang, liefen gleich in die Stadt um einen zweiten Eindruck von Nicaragua zu erlangen (ausgenommen Fabian natürlich).

Die für Touristen geeignete Hauptstraße

Wie beschreibt man so eine Stadt? Die Straßen sind im Raster angelegt. Abseits der Routen für Touristen sind die Häuser sehr heruntergekommen und die Straßen nicht gerade gesäubert. Straßen wie wir sie kennen gibt es sowieso ganz selten.  Meistens sind es unbefestigte Schotterstraßen die mit Schlaglöchern versetzt sind. Es scheint als würde sich niemand darum kümmern wie es ausschaut, selbst in einer Touristenstadt wie Granada. Nur wenn eine Tür offen war und man hineinschauen konnte zeigte sich die wahre Pracht der Häuser: der Garten. Wie in unserem Hotel waren die Innenhöfe wunderschön grün und einladend, zumindest meistens. Granada liegt am Nicaraguasee. Er ist der zweitgrößte Süßwassersee der Welt und er wirkt tatsächlich wie ein Meer. Außerdem ist er der einzige Süßwassersee in dem Haie wohnen. Zumindest zurzeit. Diese wurden schon für Ausgestorben erklärt, inzwischen gibt es wieder ein paar. Nahe bei Granada ist außerdem ein Vulkan, der Mombacho (1344 m), der aber schon lange erloschen ist.

Der Kaffee wird zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet

Am Mittwoch, den 22.12., wollten wir den Mombacho besteigen und wir buchten einen Guide um geheime Fakten oder ähnliches zu erlangen. Tourstart: 9:00 Uhr. Startbereit um, zugegebenermaßen, 9:05 Uhr standen wir bei Anonymus (ich habe seinen Namen vergessen). Dieser meinte aber, dass wir erst um 12:00 Uhr starten könnten. Spontane Busplanänderung oder so. Der Plan, dass wir der größten Hitze entfliehen indem wir am Vormittag wandern, war somit zunichte gemacht. Um 12:00 Uhr starteten wir, dafür pünktlich, Richtung Markt. Wir benutzten den öffentlichen Bus. Ein Erlebnis für sich.

Las Isletas - Granadas 365 Inseln

Nach einer Stunde im Bus wartend neben einer Menge an Straßenverkäufern die uns in den Bus folgten fuhren wir los. Aber dieser Plan wurde ebenso durchkreuzt. Diesmal von Taxifahrern, die die Nase voll haben von was-weiß-denn-ich. Sie organisierten eine Straßensperre. Sehr lustig. Wir gingen also durch die Straßensperre durch und stiegen auf der anderen Seite in einen anderen Bus ein. Bis die Nicaraguaner auf dieses System draufkamen dauerte es jedoch eine Weile. Schlussendlich funktionierte es doch und der Bus wurde wieder bis aufs letzte Eck vollgestopft. An jeder Kreuzung wurde noch jemand aufgegabelt und es war auch gar nicht heiß (sehr witzig). Beim Mombacho angelangt gingen wir 2km rauf bis wir zum „Eintritt“ kamen. Ab da fuhren wir mit Trucks weiter. Das war lustig. Die Wege kann man wirklich nicht als Straßen bezeichnen und so schaukelten wir steil nach oben und wunderten uns immer wieder wie so ein großes Ding das schaffte. Die ersten Affen wurden erblickt und diverse Vögelchen. Bei der Zwischenstation durften wir den Kaffee kosten der direkt dort angepflanzt und getrocknet wurde. Sehr lecker. Dann ging es weiter.  Und wenn ich gesagt habe, dass es im ersten Truck steil bergauf ging dann ist das kein Begriff für den zweiten Truck. Klar die 1344m müssen irgendwie bewältigt werden, aber das, liebe Leser und Leserinnen, war Achterbahn ohne Gurt. Oben angelangt wartete eine kurze Tour um den Krater des Vulkans auf uns, welcher einem Urwald gleicht (Stichwort: Nebelwald).

Panorama vom Mombacho aus

Zurück in Granada wanderten wir eine Zeit lang durch den Markt, was wirklich erschütterte. Die Armut wurde nirgends stärker sichtbar als hier.

Die Affeninsel. Bewohnt von Affen. Na was denn sonst?

Dieser lustige Geselle stapft über Seerosenblätter

Am nächsten Tag, den 23.12., besuchten wir mit einem anderen Guide Las Isletas (zu Deutsch: Die Inselchen). Die Isletas sind der Stadt Granada vorgelagerte Inseln die bei einem Ausbruch des Vulkans Mombacho entstanden sind. Es sind 356 Inseln, eine für jeden Tag. Mit dem Motorboot ging es hinaus auf den See und wir begutachteten einige kleine oder größere Inseln vom Wasser aus. Einige sind der Wohnort für Bauern oder normale bis arme Nicaraguaner. Andere wiederum sind wahre Burgen des Reichtums mit wunderschönem Garten und allem Drum und Dran. Eine der kleinsten Inseln wird die Affeninsel genannt. Als wir näher zu ihr hinfuhren, hüpften die neugierigen Äffchen gleich zu uns, wahrscheinlich mit der Hoffnung etwas Essbares zu bekommen. Angreifen durften wir sie aber nicht, weil sie schon des Öfteren aggressiv wurden. Die Isletas waren wirklich sehenswert; so viele verschiedene Blumen und wunderschöne Bäume – aber der Gegensatz von Arm und Reich erschreckte uns.

Ein Wochenendhaus für die absolute Oberliga

Nach 3-stündiger Autofahrt in den Norden kamen wir schlussendlich in Condega an, dem „Heimatort“ Fabians.

"Das Haus" von der Straße aus gesehen

Das Haus kann man schwer erklären weil wir Eropäer so etwas nun mal nicht kennen. Ein Innenhof stellt sozusagen das Wohnzimmer dar und die Räume des Hauses werden nur verwendet wenn es sein muss. Kochen, essen, schlafen. Selbst das Waschbecken ist Freiluft, mit einem Wellblech abgedeckt. Es gibt nur kaltes Wasser und auf Schönheit wird wirklich nicht geachtet, was auch gar nichts macht. Nur sind wir das nun mal nicht gewohnt. Die Familie ist wirklich nett und gastfreundlich nur hindert uns die Sprachbarriere daran, Freundschaft zu schließen. Und so beschränkt sich unsere Unterhaltung auf „buen dia“, „buenas noches“ und „adiós“. Wenn es mehr zu sagen gibt dolmetscht Fabian, und das macht er gut. Nach anfänglicher Schüchternheit hat sich auch Eneri, die kleinste im Bunde, an uns gewöhnt und wir dürfen sogar auf ihre Puppe aufpassen. Aber am liebsten ist und bleibt ihr „Chaaaaaam“. Ursprünglich hieß er Pachan aber das war anscheinend zu lange. Wie sie von Fabian auf Cham  oder Pachan kommt ist mir ein Rätsel aber man muss nicht alles verstehen.

Soweit für den Anfang. Fortsetzung folgt im nächsten Jahr 😉

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Der lange Weg zu den inexistenten fünf Pinien

Heute geht es also um die etwas spontane Reise nach Cinco Pino. Kurz zur „Entstehung“ dieser Reise: Das Büro CHICA lud am 15.12. zum Fortbildungs- und Diskussionskurs über Gender ein. Daran nahmen sämtliche von CHICA unterstützten Projekte aus Condega teil, also auch La Fraternidad. Am darauffolgenden Tag wurde eine Feria, also eine Ausstellungsmesse verantstaltet, auf der die meisten CHICA-Projekte ihre Arbeit ausstellten und – wenn möglich – zum Verkauf anboten. Ich wurde da mehr oder weniger mit hinein gezogen, als man mir im Gemeindeamt davon erzählte und Elmer Zelaya – der Chef von CHICA und damit auch von La Fraternidad und mir – mich einlud, doch auch mit zu fahren.

Gesagt getan, am Mittwoch geht es um 3 Uhr in der Früh unter die Dusche (Ich kann nur sagen: KAAAALT!) und um 4 Uhr zum Treffpunkt vor der Gemeinde. Nachdem wir aber in Nicaragua sind, ist ein bisschen Wartezeit natürlich vorprogrammiert. Ich lerne inzwischen eine Mitarbeiterin des Projektes AMSONAC kennen, welches (bis auf den Chaffeur) ausschließlich Frauen anstellt und Fruchtsäfte mit tropischen Geschmacksrichtungen herstellt und überraschend professionell abfüllt und verpackt. Und immerhin ist nicht in jedem Saft noch zusätzlich Zucker drinnen 🙂

Als dann endlich ein paar Menschen mehr eintreffen, erfahre auch ich endlich, dass der Ausflug nicht ein Tagesausflug sein wird, sondern sich durchaus ein oder zwei Nächte hinziehen könnte. Ich sprinte also noch mal zurück zum Haus, packe alles nötige schnell in eine Tasche und kurz vor fünf Uhr sitze ich neben Leonell hinten auf der Ladefläche des Pick-Ups der Gemeinde. Dann wird noch kurz mit dem zweiten Auto Funkgeräte ausgetauscht und los gehts in die eisige Nacht. Es ist die bisher kälteste Woche, mit dem Beinahespitzenwert von 11°C, was einem bei Fahrtwind fast bis unter die Haut geht. Leonell hat überdies nur eine Jeansjacke an und friert sich fast Kopf und Finger ab …

Im Morgengrauen wird an der Kreuzung, an der wir die Panamericana verlassen kurz gefrühstückt und schon geht es wieder weiter auf die scheinbar endlose Reise nach León. Nachdem nämlich keiner so genau weiß, wo Cinco Pino (zu gut Deutsch: „Die fünf Pinien“) liegt, wird davon ausgegangen, wir würden in die Nähe Leóns fahren. Es handelt sich demnach um dieselbe Strecke, die wir schon einmal nach León bestritten haben, nur dass damals einfach kein Platz war, sich die Landschaft genauer anzusehen. Außerdem sitzen wir auf der Ladefläche beinahe in Richtung Osten, also den Blick in den Sonnenaufgang gerichtet, was die Reise schon etwas wärmer macht. Auf halber Strecke nach León biegen wir auf einmal von der großen Straße auf einen kleinen aber gepflasterten Weg ab und wir sind zum ersten Mal sicher, dass die Reise nicht in León enden wird.

Ab El Sauce wird die Straße dann plötzlich ausnehmend schlecht und vor allem staubig. Weil wir das zweite Auto sind, bekommen wir hauptsächlich Staub zu sehen, was uns äußerlich um 20 Jahre altern lässt, so weiß werden wir. Nach zwanzig Kilometern erreichen wir Somotillo, welches sich schon durch eine irrsinnig breite Straße  und riesige Brücken über zwei eigentlich normale Flüsse ankündigt. Laut den Schildern, die überall herum stehen, wurde diese Infrastruktur von Japan gespendet – hatte nicht gewusst, dass Japan nach Nicaragua gespendet hat. Nach ein bisschen Verwirrung finden wir die richtige Kreuzung und schon sind die letzten 20 Kilometer dran. Nach kurzem Aufenthalt bei einer Militärstreife (die das erste Auto durchfilzt, dann einen Rucksack einer Dame öffnet, den dann peinlich berührt wieder schließt und uns allesamt durchwinkt) kommen wir in Cinco Pino an und können keine einzige Pinie entdecken. Dafür aber den Treffpunkt, den wir schon mehr als eine Stunde zu spät erreichen.

Während die schon angekommenen anderen Gruppen (von León bis zum Río San Juan) sich in auflockernden Spielen kennen lernen, lassen Leonell und ich unser Kreuz ausspannen und besprechen mit den anderen Condegianern die kommenden Ereignisse. Dann geht es los und wir gendern was das Zeug hält. Es sind erstaunlich viele Männer am Diskutieren, auch Semester, von denen man es eher nicht mehr erwarten würde, feministisch zu sein.

Da ich mich an die Details nicht mehr genau erinnern kann und die sich auch fast nur um gegenseitig Argumente auffrischen und bestätigen drehten (deswegen aber nicht uninteressant waren), springe ich direkt zum nächsten Tag.

Nachdem wir noch am Vorabend in die nächste „große“ Stadt Somotillo zurückfuhren um dort unser Hostel aufzusuchen, wachen wir erstaunlicherweise am Donnerstag dort auch wieder auf. Irgendwas haut mit der Wasserleitung nicht hin, also muss man sich beim Duschen Wasser mit einer kleinen Schüssel aus einer Regentonne schöpfen und über den Kopf schütten. Die Tonne steht natürlich in der Dusche 😉 . Schon vorm Schlafengehen haben wir entdeckt, dass der mitgebrachte Laptop für die Präsentation defacto kein Stromkabel mehr hat, weil das nur noch ziemlich unzuverlässig Saft liefert.

Die Anreise zurück zu einem Projekt vor Cinco Pino verzögert sich wieder planmäßig um fast eine Stunde – allgemeine Verspätungen, ein paar Damen, die noch schnell shoppen gehen und Autos auftanken summieren sich eben. Wir nehmen zwei andere junge Männer mit, die vom Río San Juan kommen, welcher die südliche Grenze Nicaraguas zu Consta Rica darstellt. Das Projekt nennt sich APRODESE (Asociación Para el Desarrollo Económico Sostenible de El Espino y Comunidades Aledañas – Verein zur nachhaltige ökonomische Entwicklung von El Espino und den umliegenden Gemeinden) und ist auch ein von CHICA und damit Österreich finanziertes Projekt, das sich hauptsächlich um Ausbildung in diversen handwerklichen Dingen dreht. Dort angekommen suchen wir uns zwei Tische und sichern unseren Platz unter dem riesigen Partyzelt, das für Condega reserviert ist.

Das sind Japas - also Ohrringe - um 20 Cordoba das Paar

Nach kurzer Suche aber einiger Erklärung bekommen wir vom Computerraum einen PC zur Verfügung gestellt, den wir dann an unseren Beamer anschließen, noch kurz ein Video-Abspiel-Programm installieren und schon läuft der Film in Endlosschleife. Blicke nach allen Richtungen offenbaren aber, dass wir damit die Einzigen sind und auch bleiben werden – die Meisten bieten lediglich ihre Produkte feil und viele haben noch Plakate, Flyer und/oder Fotos auf Lager. Obwohl La Fraternidad sozusagen „nur“ Handarbeit und künstlerische Leinwände anbieten kann, werden wir bereits beim Auspacken immer wieder um die Preise der Ohrringe, Polster und Armbänder gefragt. Der Stand der Frauen von AMSONAC verkauft sämtliche mitgebrachte Säfte innerhalb weniger Stunden und fängt dann an die als Dekoration mitgebrachten Früchte unter die Menschen zu bringen. Die Stände von INPRUH und den Mujeres Trabajadoras liegen nach dem Ansturm wegen des „Uh!-Neu!“-Effektes – ähnlich wie wir – recht durchschnittlich und kontinuierlich im Verkauf.

Es ist grundsätzlich schon ziemlich erstaunlich, wieviele Stände aufgebaut sind und damit auch, wieviele Projekte CHICA finanziert. Inzwischen ist aber nicht mehr völlig sicher, wie lange diese österreichische Unterstützung, so wie sie jetzt funktioniert, noch aufrecht erhalten wird. Die zwei auffälligsten Stände sind eine ökologische Latrine (welche die Kontamination des Grundwassers gewaltig reduzieren bis aufheben könnte) und Vertrieb und Förderung von Solarmodulen (welche in ländlichen Gegenden ohne Stromleitungen – bei gemäßigtem Verbrauch – genügend Strom herstellt). Natürlich fällt auch der Tisch mit den Kakaofrüchten auf, der mit ein paar Tafeln Zotter-Schokolade auf einen der Abnehmer des Bio- und Fair-Trade-Kakaos hindeutet.

Auch der Name der Band war etwas außergewöhnlich, könnte aber nicht mehr genau sagen ...

Abgeschlossen wird der durch und durch unterhaltsame Tag mit einem Konzert einer Jugend-Rock-Band, die sich allergrößte Mühe gibt, die Stimme des Leadsängers irgendwie hin zu biegen oder zumindest durch lauteres Spielen zu kaschieren. Nachdem das Mittagessen erst um zwei Uhr eintrudelt und wir da schon beinahe am Gehen sind, hebe ich es auf und nehme mir vor, halt auf der Ladefläche im Fahrtwind zu essen. Das wird dann aber etwas schwierig, weil wir eine andere Strecke nach Hause nehmen. Die neue Strecke ist reinste Staubpiste im ärgsten Gebirge; steinig und holprig, soweit man sieht, an eingestürzten Brücken zu durchquerende Bäche, die sich mit einem Pick-Up gerade noch so ausgehen, ohne dass der Auspuff völlig im Wasser versinkt. Und Leonell und ich auf der Ladefläche, hauptsächlich damit beschäftigt nicht mitsamt der Ladung einen Hops in die Pampa zu machen und dabei noch sämtlich Extremitäten im Zaum zu halten. Mein Mittagessen wird also ein hastiges Schlingen zwischen Schlaglöchern, dementsprechend sehe ich danach aus 😀 .

Gelohnt hat sich die Reise aber trotzdem: Wir brauchen um beinahe zwei Stunden weniger als bei der Hinreise und haben dabei noch eine kurze Essenspause in Limay – ein absolut niedliches kleines Städtchen mitten in den Bergen – eingelegt. Netterweise fährt diesmal auch das andere Auto in einem Abstand von ein bis zwei Kilometer hinter uns, um uns den Staub in den Haaren zu ersparen. Und die Landschaft ist umwerfend unberührt (wenn man von den Wegen in den Dörfern selbst mal absieht), man sieht Bäume, doppelt so groß wie die größten Eichen und nach Sonnenuntergang den mit Straßenlaternen ausgeleuchteten Weg im Tal unter sich.

Und zum Abschluss unsere große Reise auf Mappe. Die Nähe zu Honduras wurde mir erst auf der Karte bewusst ...

Insgesamt hat die Reise wieder meine Ansicht von Nicaragua – die in letzter Zeit etwas an der falschen Mischung an Menschen und deren Sicht der Dinge gelitten hat – wieder auf Touren gebracht und mir gezeigt, was alles möglich ist, wenn man nur möchte. Und sich traut, nachzufragen. Denn grundsätzlich sind sie äußerst hilfs- und auskunftsbereit, die Nicaraguaner …

INPRUH, Mujeres Trabajadoras, AMSONAC, La Fraternidad und Alcaldía: Es war mir ein Volksfest! 😉

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Guadalupes Jungfrau

Jetzt bleibt mir also auch noch ein bisschen Zeit, mit der Vergangenheit aufzuholen …

Am Sonntag, den 12. wird in Condega (und ich glaube in ganz Mittelamerika) das Fest der Virgen de Guadalupe gefeiert. Also, die Jungfrau Maria, die vor langer Zeit einem lateinamerikanischem Bauern erschien. Es gibt in Condega einen Stadtteil, der Guadalupe heißt, logisch also, dass der Festzug dort beginnt. Angefangen wird offiziell schon am Abend des vorhergehenden Tages, wo sich Männer in Guadalupe einfinden um die Statue der heiligen Jungfrau Maria bewachen. Angeblich kommen da neben einer Menge Männer auch mindestens ebensoviel Alkohol, also eine eher feuchtfröhliche Angelegenheit.

Am nächsten Tag wird dann um zwei Uhr nachmittags eine Messe in der großen Kirche im Viertel Guadalupe abgehalten, die wie eine Kirche ohne Wände aussieht, also ein Dach auf Stelzen. Nachdem zu dem religiösem Teil ein indigenes Fest dazu kommt, ist ein großer Teil der Besucher als indigene Ureinwohner verkleidet und geschminkt. Uns arglosen Ausländern wird daraufhin geraten sich auch zu verkleiden, um nicht vor Ort mit Farbe beschmiert zu werden. Um 12 Uhr kommen wir drauf, dass ich keine Hose habe, die zu meinem indigenen Hemd passt, also hetzen wir durch die Stadt und suchen was. Am Ende wird in absoluter Rekordzeit von eineinhalb Stunden aus ein paar Metern Stoff eine absolut fabulöse Leinenhose genäht, die zwar ganz schön weit ist, aber gerade deshalb ganz schön indigen aussieht.

Um halb vier kommen wir beim Fest an und ganz nach nicaraguanischen Verhältnissen ist natürlich die Messe immer noch im Gange. Die ist etwas kontrovers, wenn man bedenkt, dass ein katholischer Pfarrer gegen die spanischen Konquisitoren schimpft. Und das in einem Stil, wie man ihn aus Hollywood kennt, wenn schwarze Priester und Prediger gezeigt werden: Mit Herzblut und Überzeugung, nur die Musik fehlt. Kontrovers deshalb, weil der katholische Glauben vorher in Lateinamerika einfach inexistent war – jedenfalls, soweit ich das verstanden habe. Jedenfalls ist außerhalb des Kirchenpavillions nicht viel religiöses zu entdecken, wenn man all den Eis-, Ball- und Hutverkäufer beim Heiserschreien zusieht.

Viertel nach vier (also eine Fünfviertelstunde nach Plan) beendet der Pfarrer seine Predigt und ganz langsam bewegt sich die Masse in Richtung Stadtzentrum. Ein paar der noch nüchternen Männer vom Vorabend nehmen die Statue auf ihre Schulter und tragen sie unter viel Gesang und Tanz im Fluss der Menge Richtung Panamericana, von der aus es dann zum Stadtpark geht. Es wird, wie bei der Parade der Schultrommler, wieder einmal sichtbar, wieviele Menschen in Condega und näherer Umgebung wohnen.

Ganz gewaltig sieht man auch die Kluft zwischen Arm und Reich: Die Reichen stehen mit ihren Kameras in der Hand in der Nähe ihrer Pick-Ups und Jeeps während der riesige Rest sich im Getümmel befindet. Während aber die Reichen – das dürfte eine Regel sein – dreinschauen, als würden sie gezwungen hier zu sein, aber eigentlich interessiert es sie nicht, geht im Herzen des Menschengewühls richtig die Post ab, Menschen werfen Zuckerl durch die Gegend, Kinder versuchen sie zu fangen und es wird viel zur Musik der Band getanzt. Und weil es ja so schönes Wetter hat, ist gerade ein Schmetterlingschwarm nach Norden unterwegs. Das heißt, tausende kleine weiße und gelbe Schmetterlinge begleiten die Prozession – und der Großteil der Menschen schreibt dies dem religiösem Fest und dessen Übervater zu 😉

Nach fast zwei Stunden und satten zwei Kilometern kommen wir im Stadtzentrum an, wo noch eine Runde gedreht wird, bevor die Prozession in der Kirche verschwindet. Währenddessen wird das – für meine Erlebnisse in Condega – bisher größte Feuerwerk gezündet, bei dem zum ersten Mal mehr Farben als Krach zu erleben sind.

Aber jetzt, damit man sich auch in Europa was darunter vorstellen kann: Bilder!

Das große Warten vor der "Kirche"

Die Menge bewegt sich durch das Viertel Guadalupe, wo auch La Fraternidad zuhause ist

So und ähnlich sehen die verkleideten Frauen aus

Männer präsentieren sich so bis völlig schwarz bemalt

An jeder Kreuzung und unter jedem größeren Baum wird Halt gemacht und sich im Kreis gedreht

Die Kinder unter der Trage habe ich erst auf dem Foto entdeckt 😀

Um 18:00 erreichen wir den Hauptplatz - fast zwei Stunden für zwei Kilometer

Und morgen gibts den Bericht der bisher interessantesten, längsten und überhaupt, besten Reise in Nicaragua.

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Das Opossum, der Fuchs und die scheinheilige Fete

Nachdem schon vor einiger Zeit versucht wurde zu erklären, was in Nicaragua als zorro, also als Fuchs zu verstehen ist, ist mir die letzten Tage leibhaftig ein „Fuchs“ erschienen. Und zwar saß er mitten in der Nacht in der Dachrinne keine zwei Meter von mir entfernt und schlabberte gemütlich Wasser daraus. Ich hätte zu dem Tierchen eigentlich eher Opossum gesagt, weil es exakt dieses ist, aber Martha, die es als Einzige auch noch sehen konnte bevor es sich in der Dunkelheit versteckte, ist felsenfest davon überzeugt, dass das Tier als zorro cola lisa zu bezeichnen ist. Also, „Fuchs mit glattem Schwanz“. Igel heißen zorro espino, wegen der vielen Stacheln, einige Menschen behaupten sogar, sie könnten ihre Stacheln bei Bedarf auf ihre Gegner schießen. Auch Stink- und Stacheltiere sind Füchse, denn Füchse, wie wir sie kennen gibt es hier einfach nicht.

Selbst Google ist bei der Suche nach zorro ratlos, zeigt Antonio Banderas in Cape und Maske oder aber normale, rote und schwarze Füchse. Was wiederum meine Gastfamilie stutzig macht, sind das doch eindeutig Hunde 😀 . Und dass in Ice Age zwei oder drei Opossums auftreten ist allen klar, aber das sind ja auch völlig andere Tiere als unser neuer Freund, der Glattschwanzige Fuchs 😉 .

Es gibt hier in Nicaragua aufgrund der gesellschaftlich durchaus noch fest verankerten Religion auch den Feiertag 8. Dezember, uns bekannt als Mariä Empfängnis. Hier läuft das Schauspiel unter dem Namen La Purisima, und wird einerseits religiös mit Messe und allem dazu gehörigem gefeiert. Andererseits aber ähnelt es durchaus sehr dem amerikanischen Halloween, weil man auch herum zieht und Süßigkeiten einsackt, die in einigen Häusern ausgeteilt werden. Im Unterschied zu Halloween, wird allerdings nicht „Süßes sonst gibt’s Saures“ gequäkt und es machen auch bei weitem nicht so viele Häuser dabei mit, wir konnten auf unserer Route durch Condega nur vier „Anbieter“ finden.

Grundsätzlich wäre die Idee, dass man einen Altar für die Jungfrau Maria aufstellt, den schmückt und mit allerlei – früher – Kerzen und – heute – Lichterketten verziert und behängt, mit Freunden und Familie diverse Lieder singt und dann kleine Geschenke austeilt. Traditionell mit Früchten und Getränken, inzwischen vielerorts nur noch Süßigkeiten, Spielzeug und auch Zuckerrohr. Die grundsätzliche Idee hat nichts mehr zu meckern, wenn es um die freiwillig „öffentlichen Stationen“ geht. Da stellt man sich dann draußen an und wartet, dass die Türe wieder aufgeht und die nächste Fuhr an Pseudogläubigen abgefertigt wird. Dann werden scheinheilig drei, vier Lieder gesungen, die Besitzer des Hauses teilen ihre Geschenke aus und man verlässt durch eine andere Tür den Schauplatz. Das Warten vor der Tür kann ganz schön anstrengend werden, denn es wollen alle 50 Wartenden gleichzeitig hinein und wenn die Türe sich nur einen Spalt bewegt wird von ganz hinten gedrängt und geschoben, dass es eigentlich eigenartig ist, dass niemand in völlige Panik ausbricht. Die schlimmsten Drängler sind dabei Jugendliche, die, einmal drinnen, nicht mitsingen und nur Faxen treiben, direkt danach kommen furiose Mütter, die glauben, sie würden betrogen, wenn sie draußen warten müssten und ganz zum Schluss kommen Kinder, die sich fast immer ihre Kleinheit zu Nutze machen können.

Ach ja, und es werden den ganzen Tag Böller, Schweizerkracher, Piraten, Pfeifer, Raketen und wie das Zeug halt so heißt geschossen. Ganz schlimm wird es dann in den frühen Abendstunden, wenn gerade die ersten Menschen versuchen, an Süßigkeiten zu kommen. Dabei ist es auch nicht so wichtig, wie und wo man das Zeug hinschmeißt oder in die Höhe rauschen lässt, da wird schon mal die Rakete aus der Hand abgefeuert, die wie wild herum hüpfenden Explosionskörper beinahe in die Menschenmenge geworfen und in drei Metern Entfernung Böller gezündet, die einem fast die Augen aus den Höhlen drücken. Verständlich, dass die Feuerwehr ständig am herumkurven ist und überall Polizisten auf Streife unterwegs sind – fast ein Wunder jedoch, dass in Condega bisher nichts passiert ist.

All diese Lärm- und Rauchmacher dürfen in Nicaragua nur von Mitte November bis Mitte Jänner verkauft werden, den Anfang haben die Kids aus der Nachbarschaft gleich mit einem Großeinkauf an Knallern gefeiert, seither gibt es Tage mit mehr oder mit weniger Lärm. Der 8. Dezember war der bisherige Höhepunkt an Lautstärke, gegen den auch die Hunde als einzige Tiergattung lautstark protestiert haben.

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San Jeronimo ist nicht León

Und jetzt, bevor ich ganz alles vergesse noch flott die letzten Ereignisse niedergetippt.

Am Samstag geht es völlig rund. Es kommen Yudiths Ehemann aus den USA, eine Cousine aus Managua und drei Österreicher aus Österreich. Hat manchmal etwas verwirrendes, diese Staatensache. Auf die drei Österreicher bin ich schon sehr gespannt, weil die nämlich ein Treffen mit dem Bürgermeister machen wollen, bei dem ich übersetzen helfen soll – zwei von ihnen sprechen praktisch kein Spanisch.

Am Sonntag wird zum großen Abendessen geladen, bei dem schon verwirktliche, geplante und gewünschte Projekte der Stadtgemeinde vorgestellt werden. Da Condega aber auch ein municipio ist, also quasi ein Bezirk, betreffen die Pläne auch die ländlichen Gegenden. Es wird allerhand erzählt, viele Fragen beantwortet und dabei auch viele neue aufgeworfen. Zum Schluss brummt mir jedenfalls der Schädel, von so vielen Zahlen und Projekten (bis in die Ebenen der nationalen Politik dringen wir vor), die immer wieder hin und her übersetzt werden wollen. Es entsteht aber trotzdem eine recht gemütliche Atmosphäre und insgesamt wirken der Bürgermeister und seine zwei Mitarbeiter aus den Bereichen Finanzen und Projekteplanung sehr kompetent und hilfsbereit. Es wird noch ausgemacht, dass wir uns am nächsten Morgen treffen und dann einige der interessanteren Projekte im Umkreis besuchen werden.

Der Pickup bahnt sich den Weg über Stock und über Stein

Montag früh morgens um halb neun beginnt mit dem Chauffeur der Gemeinde und Julio Manuel, dem Städteplaner die Reise ins Hochland des Bezirkes Condega. Julio und ich auf der Ladefläche des Pickups, die restlichen vier Mitreisenden in der Kabine des Hilux. Der Weg – denn Straße wäre übertrieben – führt durch ausgetrocknete Rinnsale vorangegangener Regenschauer, über völlig zerstörte aber provisorisch reparierte Passagen und durch kleine Ortschaften, in denen man kaum mehr als 50 Häuschen sieht, aber garantiert die Insignien des Kapitalismus: Claro (der aus Spanien stammende, aber auch in Nicaragua größte Mobilfunkanbieter) und Big Cola (immerhin eine nicaraguanische Firma …). Motorisierter Gegenverkehr besteht hauptsächlich aus kleinen LKWs, die Nachschub bringen.

Weil aber nur zweimal am Tag ein Bus fährt, nehmen bis zu drei Autostopper auf der Ladefläche Platz, bis wir dann in San Jeronimo sind, dem Ort, an dem die Straße aufhört, der Bus umdreht und man das Gefühl hat, weiter draußen lebt garantiert niemand mehr. Nach kurzer Pause und Kaffee („Der erste selbst Gemahlene!“, staunen die Kaffeekenner 🙂 ) werden noch ausgiebig mit Ortskundigen über Kaffeeanbau diskutiert und wieder so gewaltig viele Zahlen jongliert, sodass ich nicht mehr sicher bin, welche jetzt wirklich stimmen 😀

Schnell noch ein Foto, dann wieder festkrallen 🙂

Und weil wir ja schließlich Touristen sind, wird dem braven Hilux noch ein extra Gustostückerl an Kletterkunst gegönnt. Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass wir das Auto wieder heil bis nach oben bringen. Hinten auf der Ladefläche heißt es jetzt noch fester anhalten, um einen unvollendeten Rückwärtssalto in Gebüsch oder Böschung zu verhindern, einmal hört man gar den Unterboden des Autos mit Felsen streiten. Die Tortur lohnt sich trotz der zwischen Be- und Verwunderung pendelnden Blicke der Ortsansässigen allemal. Man sieht außerdem an einer sehr weit entfernten Rauchsäulen und den bewirtschafteten Hängen der umliegenden Hügel, dass es dort draußen also sehr wohl noch menschliches Leben geben muss. Es hat auch weniger als 20 Grad Celsius, was für nicaraguanische Verhältnisse schon frisch ist 😀

Der Ausblick wird lediglich durch Dunst beschränkt

Ja, da hängen noch die Müllmänner oben drauf 😀

Auf dem Rückweg wird gerast, was das Material hergibt, auf der Ladefläche macht einem das am schlimmsten zu schaffen. Kurz noch ein Halt bei der städtischen Müllhalde, auf der zufällig gerade das Müllauto seine Fracht ablädt. Als Müllauto fungiert ein normaler Kipplaster, als Müllhalde ein Grundstück außerhalb der Stadt. Eine große Überraschung ist die Tatsache, dass Müll getrennt wird. Zwar wird nur von zwei Arbeitern Plastik und Metall rausgepickt um selbiges an Dritte zu verkaufen, aber immerhin weiß auch die Stadtregierung schon von dem Problem und überlegt sich jetzt schon, was man dagegen machen könnte.

Nach einem kurzen Besuch im Projek La Fraternidad wird ein kleiner Restaurant-Imbiss aufgesucht um Mittag zu essen, danach geht es aber schon wieder weiter nach … naja, Dings halt. Dort wurde ein Brunnen elektrifiziert, der jetzt Wasser in höhergelegen Tanks pumpt um Wasserleitungen bis in alle Häuser zu ermöglichen. Und mit dem letzten Projekt, einer Schule etwa zehn Kilometer außerhalb Condegas, geht der ereignisreiche Tag auch schon wieder zu Ende. Wär ja fast fade geworden 😀

Am Dienstag geht es dann an die Reise nach León. Unterwegs sind die drei Österreicher, Angelika und ich. Der Bus nach Estelí ist noch nicht weiter ungewöhnlich, die Reise in dem Minibus, mit zwölf Sitzplätzen plus Fahrer, in dem wir dann zu neunzehnt plus Fahrer unterwegs sind, ist schon ereignisreicher. Liegt auch daran, dass ich gegen die Fahrtrichtung auf einem Farbkübel und einer Henne in Plastiksack gegenüber sitze, die hin und wieder von ihrer Besitzerin mit Wasser oder Mais versorgt wird. „Das Henderl wird eine Suppe“ wird uns erklärt 🙂

León - Mittelamerikas älteste und größte Kathedrale

Die Straße nach Leon ist übersäht mit Schlaglöchern, die sich in Größen zwischen Handtaschenratten und mittelgroßer Einbauküche bewegen. Ist dem Fahrer natürlich quasi egal, der umkurvt gekonnt selbst bei brenzliger Gegenverkehrslage alle Löcher, die nicht die ganze Straße einnehmen. Kurz vor León erreichen wir das Ende eines Staus, dessen Anfang nicht erkennbar ist. Dem Fahrer ist das wieder mal egal und wir düsen lässig an der stehenden Kolonne vorbei, bis wir entdecken, dass demonstrierende Taxifahrer die Straße blockieren um Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem sich eine Passagierin plötzlich ganz krank gibt, werden wir nicht durch gelassen, also stehen wir im Graben und warten ab. Inzwischen steigen die drei nikotinsüchtigen Österreicher und ich aus um uns das etwas genauer anzusehen. Etwas gruselig ist die Geschichte schon, weil einige der Männer maskiert unterwegs sind und auch der Großteil recht unbequem wirkende Baseballschläger oder Eisenstangen mit sich schleppt. Als aber Alex seine Kamera auspackt um die Situation für die Nachwelt festzuhalten sind die Demonstranten kaum noch zu halten: Alle wollen posend auf ein Foto des Ausländers 😀 . Kurz danach wird auch wieder mal kurz die Blockade aufgemacht, wobei uns natürlich die Poleposition gut tut, die der freche Fahrer sich erarbeitet hat – wer weiß, wie lange wir sonst gewartet hätten …

In León machen wir uns nach dem obligatorischen Hitzeschock erst mal auf den Weg zum Hotel. Der ist aber ganz schön weit ohne detaillierten Plan und ohne Taxi müssen wir feststellen, also fragen wir ein paar Männer am Straßenrand. Einer bietet sofort an, uns mit seinem Pferdewagen dorthin zu fahren. Weil wir ihm glauben müssen, dass es noch ein ganz schönes Stück ist, steigen wir auf und müssen schon um die Gesundheit des ziehenden Mulis fürchten, als der Fahrer es durch die Straßen traben lässt. Wir kommen aber gut an und können nach der Einquartierung schon einen kleinen Stadtrundgang machen.

So sieht die Ausstellung der großen Legenden aus ...

Ein kurzes Mittagessen in einer sehr amerikanisch wirkenden Pizzafiliale hält uns nur kurz vom Hauptplatz fern, wo wir dann nach einer kleinen Runde (Kathedrale besichtigen verlangt ein zu zahlendes Ticket – also dann halt nicht 🙂 ) einen Rundgang im sandinistischen Museum machen. Das war schon eher erschreckend, denn für die große Revolution, dessen Nachfolger jetzt León und sogar ganz Nicaragua regieren, sieht es eigentlich armselig aus. Ein einziger Raum, mit an die Wände geklebte Zeitungsartikel und Fotos, dafür aber ein leidenschaftlicher und mit allen Zahlen ausgerüsteter Sandinist, der uns durch die Halle geleitet. Zum Abschluss der Geschichtestunde werden wir noch durch den Rest des riesigen aber leeren Gebäudes geführt, welches früher einmal das Bürgermeisteramt oder der Regierungspalast war (León war ein paar mal Hauptstadt Nicaraguas).

Aufs Dach, bitte hier entlang ...

Und den Schluss vom Abschluss bildet dann ein Ausflug auf das Dach und damit über die Stadt. Dort wird noch ein wenig geplänkelt, Zigaretten geraucht und die sandinistische Hymne gesungen. Das scheitert zwar an der zweiten Strophe, weil keiner den Text der besungenen Version in petto hat und in León eine veränderte Version bekannt ist, macht aber offensichtlich trotzdem Spaß 😀

Der Abend verspricht interessant zu werden, treffen wir uns doch mit Elmer Zelaya, dem Chef von CHICA, welches österreichische Entwicklungshilfe in Nicaragua abwickelt. Nachdem ich aber schon drei Tage lang im Dienste der Übersetzung stehe, im Restaurant eine Band ihr Bestes versucht und ich am anderen Ende des Tisches sitze fällt unsere gemeinsame Gesprächszeit eher kurz aus. Na gut, ich hatte sowieso vor, ihn am 13. Dezember offiziell zu besuchen.

Am nächsten Tag wird noch ein von der Hotelbelegschaft improvisiertes Frühstück mit ständigen Toastnachschubproblemen konsumiert, dann verabschieden sich Angelika und ich schon wieder von den drei Reisenden, die jetzt Managua und Meer suchen.

Den Weg zum Busterminal legen wir diesmal in einem öffentlichen Bus zurück, weil ja immer noch keine Taxis unterwegs sind. Bus heißt in León – bei großen Linien – ausrangierte Stadtbusse aus den USA oder – bei kleinen Linien – umgebaute Kleinlaster, die auf der Ladefläche mittels Gerüst und Abdeckplane versuchen die ebendort transportierten Fahrgäste vor eventuellen Launen des Wetters zu schützen. Am Busbahnhof gibt es dann kurze Verwirrung, bis wir sicherstellen können, dass der Bus nach Estelí erst in einer Stunde abfährt. Noch dazu ein großer Schulbus, kein kleiner Spucki. Schon die Nummerierung der Sitze lässt Schreckliches vermuten: Es sollen drei Menschen pro Sitzbank Platz darauf finden. Es bestätigt sich die Befürchtung, der Bus wird bis zum letzten Stehplatz angefüllt und fährt dann erst los. Die Blockade von gestern ist immer noch da, wir passieren sie auch wieder ähnlich souverän. Die Reise selbst ist die bisher Grausamste, eingepfercht zwischen Motorbox, Fahrersessel und zwei Personen schläft einem der Arsch buchstäblich ein. Aber wir kommen schlussendlich trotzdem an 😐 .

Der Bus von Estelí nach Condega wird dann noch mal eben schnell von zwei Taschendieben durchgefilzt, was uns beiden inzwischen Übervorsichtigen natürlich nichts anhaben kann. Allerdings wird bis Condega so lebhaft diskutiert, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe, weil im Normalfall die Hälfte der Menschen schläft oder so tut als ob.

Gut, ich hätte also meine Erlebniswoche abgehandelt!

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