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Zwei Monate her, zwei Monate hin

Zwei Monate ist es her, dass ich den letzten Blogeintrag veröffentlicht habe … höchste Zeit also, einen Neuen zu schreiben 😉

Und weil ich die letzten zwei Monat so unzufrieden mit meinen schriftstellerischen Fähigkeiten war, kommt jetzt ein eher auf Fotos betonter Eintrag, der versuchen wird, die letzten zwei Monate Revue passieren zu lassen.

Die wildeste Attraktion: Riesenrad mit sich überschlagenden Kabinen

Im Mai machte anlässlich der Stadtgründungsfeiern ein Vergnügungspark in Condega Halt. Es gab Riesenräder, Karuselle und Zelte mit Saufgelagen zu sehen. Nachts wurden Lichter eingeschalten und natürlich spielte durchgehend viel Musik. Das hatte einen erhöhten Stromverbrauch zur Folge, welchen der zuständige Transformator gleich am ersten Tag nicht überlebte und den gesamten Platz dann den gesamten Monat auf Generatoren angewiesen war.

Ach ja, eine Kinderschiffsschaukel gab es auch noch 🙂

Dann, Ende Mai wurde die Stadtgründung mit einem Fest namens „Los Hipicos“ gefeiert. Dafür holte jeder Pferdebesitzer Condegas alle seine Pferde aus den Ställen und führte sie den großen Zuschauermassen vor. Wenn das jedes Jahr so aussieht, dann verstehe ich nicht, wieso überhaupt noch jemand hingeht, denn wirklich viel Spannendes gibt es nicht zu sehen – Pferde halt:

Viele Menschen, ...

... Cowboyhüte ...

... und Pferde

Und dann, eines schönen Sommertages, Anfang Juni, spielten die Kinder Chibolas. Chibolas ist ganz einfach als Murmeln zu übersetzen, die Art und Weise, mit ihnen zu spielen kannte ich jedoch nur andeutungsweise aus Comics: Man zeichnet einen Kreis und eine Linie in den Sand, etwa zwei Meter voneinander entfernt. Dann legt jeder Mitspieler eine Murmel in den Kreis, quasi der Einsatz. Wer dann (eine neue Murmel vom Kreis weg geworfen) am nähesten an der Linie liegen bliebt, fängt an und wirft nun in die andere Richtung, auf den Kreis zu. Wenn alle geworfen haben beginnt die Reihenfolge von vorne und der Erste versucht Murmeln aus dem Kreis zu katapultieren, indem er sie mit der eigenen Wurfmurmel abschießt. Das klingt jetzt vielleicht einfach, aber da ist schon etwas Technik gefragt, zu fest gedrückt, geht nichts und man bricht sich fast die Finger, zu leicht gedrückt plumpst sie ohne große Kraft gleich in den Sand. Aus dem Kreis katapultierte Murmeln gewinnt man, wenn die Wurfmurmel aber innerhalb liegen bleibt,  gehört sie automatisch dem Nächsten und man setzt bis zur neuen Runde aus.

Und weil Murmeln auch so ziemlich genial aussehen, wieder ein paar Fotos:

Anvisieren und Abdrücken

Im besten Falle gewinnt man 😉

Fülltext, damit die Fotos gut formatiert werden …

Was murmeln die denn da vor sich hin?

... und die Müllabfuhr spielt Schulbus

Dann noch kurz ein Bildkommentar zur Fortbewegung in Nicaragua:

Abseits der Panamericana ist vieles erlaubt ...

Zeilenumbruch

Am 19. Juni wurde endlich der Tag der Kinder gefeiert. Wir (Promotoren) führten ein Stück von Chavo del 8 auf, eine Fernsehserie, die im lateinamerikanischen Raum ähnlichen Kultstatus besitzt, wie Mundl in Österreich. Fotos traue ich mich keine zu zeigen, die Fotografin (ich hatte ja eine Rolle, da konnte ich schwer fotografieren) hat da zuviel verbockt 😛

Eintritt nur mit gültigem Ticket

Zum Abschluss gab es Eis von Eskimo

Und dann war da noch der Ausflug nach Venecia. Ja, zu deutsch heißt das Venedig und kurioserweise überquert man ein Bergmassiv namens Los Alpes. Na gut, massiv war es nur, weil wir es per Rad bestritten, aber wird schon ungefähr 100 bis 200 Meter über Condega liegen. Und 15 Kilometer weiter gen Osten. Klar, das ist jetzt keine große Steigung, aber mit den verfügbaren und in der Gruppe hin- und hergetauschten Rädern war es durchaus eine Aufgabe.

10 Fahrräder, 11 Mitfahrende

Gestartet wurde um halb 8 morgens, um halb 12 waren wir endlich bei unserem Mittagessen, aber noch fünf Kilometer von Venecia entfernt. Anfangs hatten wir mit richtig heftigem Regen zu kämpfen, bis zur Hälfte der Strecke klang er glücklicherweise etwas ab, die „Straße“ – de facto eine Staubpiste – hatte sich aber trotzdem schon in eine Schlammpiste verwandelt. Dementsprechend sahen wir dann auch aus 😉

Der Weg als Ziel?

Dreckig von Fuß ...

... bis Kopf

Das Mittagessen nahmen wir 5 Kilometer vor Ziel in Angriff. Wir besiegten es ziemlich überlegen. Auch die Hunde vor Ort bekamen ihr Fett weg, was offenbar sonst nie der Fall ist – typisch nicaraguanische Hunde halt: Unvorstellbar dürr.

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Ein Panorama 5 Kilometer vor dem Mittagessen

Meins! Meins! Meins!

Nicht ein Krümelchen blieb übrig ...

In Venecia gab es dann wenig Spannendes zu sehen, lediglich einen kinoreifen Sturz später gings deshalb schon wieder Richtung Condega. An unserer Labstelle (das Haus einer Tante eines der Jugendlichen) ließen wir die jüngsten unter uns zurück (sie fuhren dann mit dem Bus), damit war Geschwindigkeit kein Problem mehr. Es wurde gebrettert was die Räder herhielten – was nicht viel ist, bei so vielen kaputten Bremsen und Reifen.

Zirkusreife Akrobatik für Anfänger

Ja, und das war eigentlich schon wieder ziemlich alles, diese Woche wird nur halbtags unterrichtet, weil eine Woche Schulferien sind.

Zwei Monate hin, bis zum Finale einer absolut erlebenswerten Reise ans Ende der Welt …

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2 Kommentare

Visen, Chaos und ein neuer Anfang

Na gut. Dann schreib ich halt wieder mal was 🙂

Es ist nämlich so: Nachdem mein Visum ja am 7. oder 8. Februar auslief (die Ungenauigkeit rührt von der Ungewissheit der Zählweise her), ich aber dummerweise zu lange wartete, ging am 3. Februar zur Migration in Estelí. Dort konnte man mir nur mitteilen, dass es nur zweimal möglich ist, ein dreimonatiges Visum im „normalen“ Verfahren zu erlangen. Die offizielle Variante in solchen Fällen wäre außerdem auszureisen, 72 Stunden zu warten und wieder einzureisen. Nachdem Honduras (für mich die nächste Grenze) netterweise mit Nicaragua ein gemeinsames Visumssystem betreibt, würde die Reise also nach Costa Rica führen müssen.

Am Freitag wurde ein neuer Anlauf gestartet, diesmal ausgerüstet mit Arbeitsbelegen, Briefen von Fraternidad und Bürgermeister und Gastmutter Martha. Die Dame hinterm Schreibtisch laß sich alles durch, konnte aber nur auf eine eventuelle Lösung des Problems in Managua hinweisen. Am Nachmittag rief ich also im österreichischen Konsulat an, welches es eigentlich gar nicht gibt. Deshalb wird man auch automatisch ins Büro für österreichische Entwicklungzusammenarbeit weitergeleitet, wo ich der zuständigen Dame auf Deutsch mein Problem erläuterte. Diese meinte, ich solle doch so schnell wie möglich nach Managua kommen, alle Unterlagen mitnehmen, die vielleicht von Bedeutung sein könnten, vorher aber meine überzähligen, sprich, visumslosen Tage in der Migration zu bezahlen, sonst würde es wahrscheinlich nicht funktionieren.

Also am Montag wieder auf nach Estelí, diesmal schon bekannt und sogleich zum Chef des Hauses geführt. Die folgende Viertelstunde kümmerten sich zwei Angestellte und der Chef darum, eine mögliche Lösung zu finden, gaben mir schließlich den Rat, es in Managua zu versuchen. Dort gäbe es diese und jene Person, die mir helfen würde. Wenn es noch Probleme gäbe, sollte ich einfach den Chef persönlich am Handy anrufen.

Dienstag dann auf nach Managua. Damit uns die Zeit nicht davonläuft fuhren wir schon im Bus um sechs Uhr in der Früh. Um kurz vor neun saßen wir im Taxi zur Migration und keine Stunde später standen wir wieder auf Feld eins. Der Schalterbeamte hatte mir zwar nach seiner eigenartigen Zählweise noch drei Tage mehr Visum konstatiert, aber nur stur auf die Ausreise verwiesen, da konnte auch der Chef aus Estelí nichts mehr ausrichten. Um aber dann doch nicht völlig umsonst nach Managua gefahren zu sein, rief ich noch im österreichischen „Konsulat“ an und schilderte nochmals das aktuelle Problem. „Egal, kommen Sie trotzdem.“ Also auf ins Taxi und quer durch die Stadt. Dort wurden dann innerhalb einer halben Stunde Daten angegeben, korrigiert und weitergeleitet, Pass eingezogen und die erste Entschuldigung seit Jahren verfasst und unterzeichnet. Aber nicht an den Lehrer wegen Fernbleiben des Unterrichts, sondern wegen Passlosigkeit an eventuell kontrollierende Migrationspolizisten.

Jetzt sollte die Frist bald verstrichen sein und damit mein Visum, ergo mein Pass, vermutlich fertig; mal sehen, wie lange die Mühlen der Bürokratie diesmal arbeiten.

Im Projekt wurde es in letzter Zeit wieder chaotischer, am 15. Februar wurden die Schulen und auch das Zentrum mitsamt seinen Kurse erstmals wieder für Kinder geöffnet. Nachdem aber von den zur Zeit etwa 200 eingeschriebenen Kindern nur etwa zwei Drittel erscheinen, noch keine Hausübungen mitbringen, viele zum ersten Mal dabei sind und der Kurs Nachhilfe völlig neu besetzt wurde, herrscht noch etwas Verwirrung, wer wieso wo und wann zu sein hat. Schon zu Anfang wurde dem Chaos des letzten Jahres, der fehlenden Motivation einiger Mitarbeiter und der Einfallslosigkeit mancher Programme der Kampf angesagt, was sich doch schon mal gut anhört. Wie dies allerdings geschehen soll, wo doch gerade eine Aufbruchsstimmung der nicht sehr netten Art herrscht: Die vielfach geführte Diskussion des unbestreitbar viel zu niedrigen Gehalts wurde intensiviert und führt bei einigen Promotoren immer mehr zu Gedanken ans Aufhören.

Wieder zu erfreulicherem: Gestern, Freitag wurde die Willkommensfeier in La Fraternidad veranstaltet. Schon am Dienstag wurde ein Grundkonzept für das gesamte Fest erstellt und Rollen, beziehungsweise Aufgaben verteilt. Ich war ganz überrascht, wie früh man selbst in Nicaragua Dinge planen kann, wenn nur jemand – dem auch geglaubt wird – sagt, es solle doch endlich damit begonnen werden. Heute Nachmittag wurde das natürlich wieder etwas relativiert, weil doch einiges fehlte. Aber mit ein bisschen Spucke und Spontanität wurde alles mehr oder weniger gut gelöst. Nachdem die Spiele von uns „Ausländern“ gestaltet wurden, lieferten wir auch den Großteil des Programmes und viel spieletechnisch Neues.

Die Schummelpolizei muss einschreiten

Begonnen wurde mit zwei Runden Bananen-Wettessen. Mit verbundenen Augen im Duett, viel Geschrei, Gelächter und nicht ganz schummelfreiem Verlauf 😉 .
Danach wurde in 50-Liter-Mehlsäcken um die Wette gehüpft. Zuerst traten zwei Burschen, dann zwei Mädchen gegeneinander an. Die dritte Runde wurde zum lautstark bejubelten Kampf der Geschlechter, Bursche gegen Mädchen. Nach drei Viertel der Strecke stürzte der bis dahin klar in Vorsprung liegende Knabe und überließ damit ungewollt seiner Konkurrentin den Sieg. Ab diesem Zeitpunkt kamen die Kids immer mehr in Stimmung und es wurde mit jeder Minute lauter. Für die Moderatorinnen wurde es dadurch trotz der Unterstützung der Promotoren immer schwieriger, sich Gehör zu verschaffen.

Marlito kann locker ins Ziel hüpfen, während sein Kontrahent ein wahres Massaker an den Slalomstangen anrichtet

Bei den Damen geht es da schon knapper zu

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Aber hier ist plötzlich das gesamte Publikum mit dabei

Kistenrennen mit allzu am Boden festpickenden Schachteln

Trotzdem wurden noch zwei Runden Kistenschieben veranstaltet und zweimal Sesselgetanzt.

Danach wurde versucht den beinahe traditionellen Wetttanz zu starten, den ich aber erfolgreich unterbinden konnte. Wieso? Weil ich selbigen inzwischen als absolut entbehrlich empfinde. Ein paar Mädchen tanzen und nach jeder Runde wird ein Pärchen vom Publikum rausgewählt. So weit so gut. Die Stimmung und besonders die Beliebtheit der Mädchen entscheidet dann, ob es mehr Geklatsche oder Gebuhe gibt, welches man den Kindern als „Erziehungsbeauftragter“ ja eigentlich ersparen sollte. Stattdessen wurde Linas Idee des Zeitungstanzes aufgegriffen, die eine neue Erfahrung für alle und meiner Meinung nach einen gelungenen Abschluss darstellte.

Penibel wird die Technik studiert und dann Tips und Tricks ausgetauscht

Dabei tanzen Pärchen auf jeweils einer Seite Zeitungspapier, dürfen den Boden aber nicht berühren, sonst wird fliegen sie  raus. Sobald der Moderator das Zeichen gibt, wird die Seite einmal auf die Hälfte gefaltet und schon gehts weiter. Der Witz dabei ist natürlich, dass man immer weniger Platz hat und sich irgendwie einfallen lassen muss, wie man auf so wenig Standfläche zwei Personen unterbringt – und dabei das Tanzen nicht auch noch vergisst. Ab Faltung Numero drei wurden die beiden übrigen Paare von allen Seiten mit Tips und Tricks überhäuft, angefeuert und – wenn nötig – gestützt.

So sieht es dann aus, wenn eigentlich nur mehr ein Fuß Platz auf der Zeitung findet

Der leicht schale Beigeschmack, den einige Kinder mit ihrem Benehmen verursachten war wieder vergessen und noch schnell die unausgesprochene aber deutlich sichtbare Forderung nach Süßigkeiten erfüllt, dann ging alles und jeder nach Hause, war ja schon wieder halb fünf Uhr.

So siehts aus, meine Freunde, so ist das!

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Ein Kommentar

Ja, ich bin noch hier ;)

Und hier bin ich wieder mal!

An unserem (zur Erinnerung: Besuch aus Österreich) letzten Tag fuhren wir kreuz und quer durch Managua auf der Suche nach Sehenswertem. Zuerst zum Revolutionsplatz, der von einer alten Kirche, dem ehemaligen Regierungspalast, der Villa des Präsidenten Daniel Ortega und einem Park mit Denkmäler eingekreist wird. Nach einer halben Stunde im zum Nationalmuseum (das bis zur präkolumbianischen Ära vergleichsweise gut beschriftet ist und danach zur Kunstausstellung diverser (Hoch-)Schulen wird) umfunktionierten Regierungspalast gings nach einem Umweg über eine der wenigen touristischen Uferstellen des Sees nach Tiscapa, einem Vulkankrater mit Lagune mitten in Managua. Da dies auch der höchste Punkt in der Umgebung ist, steht natürlich eine 10 Meter hohe Silhouette von Sandino dort. Oben angekommen waren wir erst mal erstaunt, wie wenig das Bild einer Großstadt gleicht. 1972 zerstörte ein Erdbeben der Stärke 5,6 bis 6,2 ungefähr 90% der Bausubstanz, lediglich das Gebäude der Bank of America blieb quasi unversehrt stehen.

Was wir nicht wussten, war die Tatsache, dass über die Lagune Tiscapa eine dreiteilige Seilbahn aufgebaut ist, auf der man per Klettergurt angekettet nach unten brausen kann. Das mussten wir natürlich trotz Bargeldknappheit ausprobieren. 300 bis 500 Meter lang sind die drei Teilstrecken, leider ist es aber viel zu schnell vorbei. Dieselbe Firma bietet auch am Mombacho solche Seilgärten an, die allerdings zwischen riesig dicken Bäumen gespannt sind und bis zu 30 Stationen umfassen. Das nächste Mal werde ich also nicht nur an den Schreien im Wald vorbei gehen, sondern mitmachen 😀 .

Zum Schluss kann man wie Superman das Seil entlangbrausen

Da gehts dann hinunter mit einem "Murdshodan"

 

Danach ging es noch schnell zu der neuen Kathedrale Managuas, die sich durch eine überraschend moderne Architektur auszeichnet.

Die Catedral Metropoliana Inmaculada Concepción de Managua

Eine sehr helle, geradlinige und doch angenehme Kirche

Um jetzt noch die letzten Tage seit der Abreise meiner beiden Besucher revue passieren zu lassen, eine kurze Zusammenfassung: Am 5.1., direkt nach der Verabschiedung ging ich aus dem Flughafen hinaus um mich über meinen Bus zu erkundigen. Weil mich ein Taxifahrer ansprach, dachte ich, der würde mir vielleicht verraten, ob die Expressbusse auch hier, direkt vor dem Flughafen (wo sie ja vorbeifahren) halten und zusteigen lassen würden. Das sollte sich aber als ein Fehler herausstellen, der mir letztendlich meine Reise um fast zwei Stunden verlängerte. Klar, der Taxler wollte Geld: 5US$ für eine Reise von zehn Minuten 😐 . Während ich also noch mit einem Polizisten sprach, düste gerade ein Bus vorbei. Bis ich realisiert hatte, dass das meiner sein könnte, war er schon wieder am Horizont verschwunden. Mir wurde vorgeschlagen, den Bus per Taxi einzuholen … nur doof, dass sich in den nächsten zehn Minuten kein Einziges blicken ließ.

Nachdem der Plan also definitiv geplatzt war, wartete ich trotzdem auf ein Taxi, diesmal aber mit dem Ziel Busbahnhof. Meine Frage nach dem Preis wurde mir vom Fahrer mit 100C$ beantwortet. Wie gut, dass mich im Vorfeld Gastmutter Martha angerufen hatte, um mir zu sagen, dass man auf keinen Fall mehr als 60C$ zahlen soll. Mein Vorschlag, mich für weniger Geld zu chauffieren gefiel dem Taxler nicht so gut, was sich aber schlagartig änderte, als mein netter und hilfsbereiter Polizist von vorhin den Kopf zum Taxi hineinstreckte und meine Zieldestination nochmal wiederholte, damit sich da keine Probleme ergeben 🙂 .

Den Busbahnhof habe ich anfangs vom Aussehen her mit einem illegalen Spielehinterhof verglichen. Ich kann diese Ansicht inzwischen revidieren, da muss mir wohl der Kulturschock mitgespielt haben: Es sieht aus, wie es für nicaraguanische Busbahnhöfe üblich ist, rumpelige Straßen, wuselnde Straßenverkäufer, brüllende Buschauffeure und von blitzblank sauberen bis hin zu fast auseinander fallenden Bussen ist alles vertreten – solange es sich um Bluebird Ami-Schulbusse handelt. Zum Glück fand ich gleich einen Bus, der mich nach Condega bringen würde, also eingestiegen und auf Abfahrt gewartet. Schon beim hinsetzen bekam ich Probleme mit dem Sitz vor mir, da schlicht und einfach zehn Zentimeter Kniefreiheit fehlten. Nachdem wir aber erst in Estelí soviele Zusteiger hatten, dass es auch mich betraf, saß ich fast die gesamte Fahrt seitlich über zwei Sitze ausgebreitet.

Der vorhin erwähnte Fehler, mit dem Taxler versuchen, auf einen Konsens in Sachen Bus zu kommen, wurde bei den ersten richtigen Steigungen bewusst, auf denen uns ausnahmslos jeder überholte, weil sich der Bus nur noch auf dem Zahnfleisch kriechend fortbewegte. In Zahlen bedeutet das: 10% Steigung, 1. Gang, 5km/h – was auch äquivalent zu 100% „voll doof“ ist. Nach dreieinhalb Stunden Fahrt kam ich endlich in Condega an – normalerweise dauert so eine Fahrt mit dem Express zweieinhalb Stunden. Dazu kam noch, dass der Bus eine Stunde später abfuhr …

Seither ist nicht viel erzählenswertes passiert. Ich habe wieder begonnnen in La Fraternidad zu arbeiten, habe dort Computer gesäubert (unglaublich, wieviel Staub in drei Monaten den Weg in die Maschinen findet), neu aufgesetzt, in Schuss gebracht, an der Homepage für das Projekt und vielen Kleinigkeiten gearbeitet. Zwischendurch hatte ich auch mal eine Woche lang Grippe – wir sagen dazu Husten und Schnupfen – derentwegen ich viel Zeit im Zimmer verbrachte, was auf schräge Blicke und Unverständnis bei der lokalen Bevölkerung gestoßen ist. Es wurde sogar behauptet, dass man dadurch noch länger krank bleibe … ach die Gesundheitsvorstellungen der Nicas 😀 .

Dass mein Visum am 7.2. wieder mal ausläuft hat mir in Erinnerung gerufen, wie schnell die Zeit vergangen ist. Die Halbzeit naht schon und es fühlt sich an als wäre man schon ewig aber doch erst ein paar Tage hier …

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San Jeronimo ist nicht León

Und jetzt, bevor ich ganz alles vergesse noch flott die letzten Ereignisse niedergetippt.

Am Samstag geht es völlig rund. Es kommen Yudiths Ehemann aus den USA, eine Cousine aus Managua und drei Österreicher aus Österreich. Hat manchmal etwas verwirrendes, diese Staatensache. Auf die drei Österreicher bin ich schon sehr gespannt, weil die nämlich ein Treffen mit dem Bürgermeister machen wollen, bei dem ich übersetzen helfen soll – zwei von ihnen sprechen praktisch kein Spanisch.

Am Sonntag wird zum großen Abendessen geladen, bei dem schon verwirktliche, geplante und gewünschte Projekte der Stadtgemeinde vorgestellt werden. Da Condega aber auch ein municipio ist, also quasi ein Bezirk, betreffen die Pläne auch die ländlichen Gegenden. Es wird allerhand erzählt, viele Fragen beantwortet und dabei auch viele neue aufgeworfen. Zum Schluss brummt mir jedenfalls der Schädel, von so vielen Zahlen und Projekten (bis in die Ebenen der nationalen Politik dringen wir vor), die immer wieder hin und her übersetzt werden wollen. Es entsteht aber trotzdem eine recht gemütliche Atmosphäre und insgesamt wirken der Bürgermeister und seine zwei Mitarbeiter aus den Bereichen Finanzen und Projekteplanung sehr kompetent und hilfsbereit. Es wird noch ausgemacht, dass wir uns am nächsten Morgen treffen und dann einige der interessanteren Projekte im Umkreis besuchen werden.

Der Pickup bahnt sich den Weg über Stock und über Stein

Montag früh morgens um halb neun beginnt mit dem Chauffeur der Gemeinde und Julio Manuel, dem Städteplaner die Reise ins Hochland des Bezirkes Condega. Julio und ich auf der Ladefläche des Pickups, die restlichen vier Mitreisenden in der Kabine des Hilux. Der Weg – denn Straße wäre übertrieben – führt durch ausgetrocknete Rinnsale vorangegangener Regenschauer, über völlig zerstörte aber provisorisch reparierte Passagen und durch kleine Ortschaften, in denen man kaum mehr als 50 Häuschen sieht, aber garantiert die Insignien des Kapitalismus: Claro (der aus Spanien stammende, aber auch in Nicaragua größte Mobilfunkanbieter) und Big Cola (immerhin eine nicaraguanische Firma …). Motorisierter Gegenverkehr besteht hauptsächlich aus kleinen LKWs, die Nachschub bringen.

Weil aber nur zweimal am Tag ein Bus fährt, nehmen bis zu drei Autostopper auf der Ladefläche Platz, bis wir dann in San Jeronimo sind, dem Ort, an dem die Straße aufhört, der Bus umdreht und man das Gefühl hat, weiter draußen lebt garantiert niemand mehr. Nach kurzer Pause und Kaffee („Der erste selbst Gemahlene!“, staunen die Kaffeekenner 🙂 ) werden noch ausgiebig mit Ortskundigen über Kaffeeanbau diskutiert und wieder so gewaltig viele Zahlen jongliert, sodass ich nicht mehr sicher bin, welche jetzt wirklich stimmen 😀

Schnell noch ein Foto, dann wieder festkrallen 🙂

Und weil wir ja schließlich Touristen sind, wird dem braven Hilux noch ein extra Gustostückerl an Kletterkunst gegönnt. Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass wir das Auto wieder heil bis nach oben bringen. Hinten auf der Ladefläche heißt es jetzt noch fester anhalten, um einen unvollendeten Rückwärtssalto in Gebüsch oder Böschung zu verhindern, einmal hört man gar den Unterboden des Autos mit Felsen streiten. Die Tortur lohnt sich trotz der zwischen Be- und Verwunderung pendelnden Blicke der Ortsansässigen allemal. Man sieht außerdem an einer sehr weit entfernten Rauchsäulen und den bewirtschafteten Hängen der umliegenden Hügel, dass es dort draußen also sehr wohl noch menschliches Leben geben muss. Es hat auch weniger als 20 Grad Celsius, was für nicaraguanische Verhältnisse schon frisch ist 😀

Der Ausblick wird lediglich durch Dunst beschränkt

Ja, da hängen noch die Müllmänner oben drauf 😀

Auf dem Rückweg wird gerast, was das Material hergibt, auf der Ladefläche macht einem das am schlimmsten zu schaffen. Kurz noch ein Halt bei der städtischen Müllhalde, auf der zufällig gerade das Müllauto seine Fracht ablädt. Als Müllauto fungiert ein normaler Kipplaster, als Müllhalde ein Grundstück außerhalb der Stadt. Eine große Überraschung ist die Tatsache, dass Müll getrennt wird. Zwar wird nur von zwei Arbeitern Plastik und Metall rausgepickt um selbiges an Dritte zu verkaufen, aber immerhin weiß auch die Stadtregierung schon von dem Problem und überlegt sich jetzt schon, was man dagegen machen könnte.

Nach einem kurzen Besuch im Projek La Fraternidad wird ein kleiner Restaurant-Imbiss aufgesucht um Mittag zu essen, danach geht es aber schon wieder weiter nach … naja, Dings halt. Dort wurde ein Brunnen elektrifiziert, der jetzt Wasser in höhergelegen Tanks pumpt um Wasserleitungen bis in alle Häuser zu ermöglichen. Und mit dem letzten Projekt, einer Schule etwa zehn Kilometer außerhalb Condegas, geht der ereignisreiche Tag auch schon wieder zu Ende. Wär ja fast fade geworden 😀

Am Dienstag geht es dann an die Reise nach León. Unterwegs sind die drei Österreicher, Angelika und ich. Der Bus nach Estelí ist noch nicht weiter ungewöhnlich, die Reise in dem Minibus, mit zwölf Sitzplätzen plus Fahrer, in dem wir dann zu neunzehnt plus Fahrer unterwegs sind, ist schon ereignisreicher. Liegt auch daran, dass ich gegen die Fahrtrichtung auf einem Farbkübel und einer Henne in Plastiksack gegenüber sitze, die hin und wieder von ihrer Besitzerin mit Wasser oder Mais versorgt wird. „Das Henderl wird eine Suppe“ wird uns erklärt 🙂

León - Mittelamerikas älteste und größte Kathedrale

Die Straße nach Leon ist übersäht mit Schlaglöchern, die sich in Größen zwischen Handtaschenratten und mittelgroßer Einbauküche bewegen. Ist dem Fahrer natürlich quasi egal, der umkurvt gekonnt selbst bei brenzliger Gegenverkehrslage alle Löcher, die nicht die ganze Straße einnehmen. Kurz vor León erreichen wir das Ende eines Staus, dessen Anfang nicht erkennbar ist. Dem Fahrer ist das wieder mal egal und wir düsen lässig an der stehenden Kolonne vorbei, bis wir entdecken, dass demonstrierende Taxifahrer die Straße blockieren um Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem sich eine Passagierin plötzlich ganz krank gibt, werden wir nicht durch gelassen, also stehen wir im Graben und warten ab. Inzwischen steigen die drei nikotinsüchtigen Österreicher und ich aus um uns das etwas genauer anzusehen. Etwas gruselig ist die Geschichte schon, weil einige der Männer maskiert unterwegs sind und auch der Großteil recht unbequem wirkende Baseballschläger oder Eisenstangen mit sich schleppt. Als aber Alex seine Kamera auspackt um die Situation für die Nachwelt festzuhalten sind die Demonstranten kaum noch zu halten: Alle wollen posend auf ein Foto des Ausländers 😀 . Kurz danach wird auch wieder mal kurz die Blockade aufgemacht, wobei uns natürlich die Poleposition gut tut, die der freche Fahrer sich erarbeitet hat – wer weiß, wie lange wir sonst gewartet hätten …

In León machen wir uns nach dem obligatorischen Hitzeschock erst mal auf den Weg zum Hotel. Der ist aber ganz schön weit ohne detaillierten Plan und ohne Taxi müssen wir feststellen, also fragen wir ein paar Männer am Straßenrand. Einer bietet sofort an, uns mit seinem Pferdewagen dorthin zu fahren. Weil wir ihm glauben müssen, dass es noch ein ganz schönes Stück ist, steigen wir auf und müssen schon um die Gesundheit des ziehenden Mulis fürchten, als der Fahrer es durch die Straßen traben lässt. Wir kommen aber gut an und können nach der Einquartierung schon einen kleinen Stadtrundgang machen.

So sieht die Ausstellung der großen Legenden aus ...

Ein kurzes Mittagessen in einer sehr amerikanisch wirkenden Pizzafiliale hält uns nur kurz vom Hauptplatz fern, wo wir dann nach einer kleinen Runde (Kathedrale besichtigen verlangt ein zu zahlendes Ticket – also dann halt nicht 🙂 ) einen Rundgang im sandinistischen Museum machen. Das war schon eher erschreckend, denn für die große Revolution, dessen Nachfolger jetzt León und sogar ganz Nicaragua regieren, sieht es eigentlich armselig aus. Ein einziger Raum, mit an die Wände geklebte Zeitungsartikel und Fotos, dafür aber ein leidenschaftlicher und mit allen Zahlen ausgerüsteter Sandinist, der uns durch die Halle geleitet. Zum Abschluss der Geschichtestunde werden wir noch durch den Rest des riesigen aber leeren Gebäudes geführt, welches früher einmal das Bürgermeisteramt oder der Regierungspalast war (León war ein paar mal Hauptstadt Nicaraguas).

Aufs Dach, bitte hier entlang ...

Und den Schluss vom Abschluss bildet dann ein Ausflug auf das Dach und damit über die Stadt. Dort wird noch ein wenig geplänkelt, Zigaretten geraucht und die sandinistische Hymne gesungen. Das scheitert zwar an der zweiten Strophe, weil keiner den Text der besungenen Version in petto hat und in León eine veränderte Version bekannt ist, macht aber offensichtlich trotzdem Spaß 😀

Der Abend verspricht interessant zu werden, treffen wir uns doch mit Elmer Zelaya, dem Chef von CHICA, welches österreichische Entwicklungshilfe in Nicaragua abwickelt. Nachdem ich aber schon drei Tage lang im Dienste der Übersetzung stehe, im Restaurant eine Band ihr Bestes versucht und ich am anderen Ende des Tisches sitze fällt unsere gemeinsame Gesprächszeit eher kurz aus. Na gut, ich hatte sowieso vor, ihn am 13. Dezember offiziell zu besuchen.

Am nächsten Tag wird noch ein von der Hotelbelegschaft improvisiertes Frühstück mit ständigen Toastnachschubproblemen konsumiert, dann verabschieden sich Angelika und ich schon wieder von den drei Reisenden, die jetzt Managua und Meer suchen.

Den Weg zum Busterminal legen wir diesmal in einem öffentlichen Bus zurück, weil ja immer noch keine Taxis unterwegs sind. Bus heißt in León – bei großen Linien – ausrangierte Stadtbusse aus den USA oder – bei kleinen Linien – umgebaute Kleinlaster, die auf der Ladefläche mittels Gerüst und Abdeckplane versuchen die ebendort transportierten Fahrgäste vor eventuellen Launen des Wetters zu schützen. Am Busbahnhof gibt es dann kurze Verwirrung, bis wir sicherstellen können, dass der Bus nach Estelí erst in einer Stunde abfährt. Noch dazu ein großer Schulbus, kein kleiner Spucki. Schon die Nummerierung der Sitze lässt Schreckliches vermuten: Es sollen drei Menschen pro Sitzbank Platz darauf finden. Es bestätigt sich die Befürchtung, der Bus wird bis zum letzten Stehplatz angefüllt und fährt dann erst los. Die Blockade von gestern ist immer noch da, wir passieren sie auch wieder ähnlich souverän. Die Reise selbst ist die bisher Grausamste, eingepfercht zwischen Motorbox, Fahrersessel und zwei Personen schläft einem der Arsch buchstäblich ein. Aber wir kommen schlussendlich trotzdem an 😐 .

Der Bus von Estelí nach Condega wird dann noch mal eben schnell von zwei Taschendieben durchgefilzt, was uns beiden inzwischen Übervorsichtigen natürlich nichts anhaben kann. Allerdings wird bis Condega so lebhaft diskutiert, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe, weil im Normalfall die Hälfte der Menschen schläft oder so tut als ob.

Gut, ich hätte also meine Erlebniswoche abgehandelt!

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Friedhof und Sicherheit

Hier bin ich wieder. Mit einer Woche voller Überraschungen 😉

Müll wird immer systematisch ignoriert ...

Dienstag, der 2. November ist hier ein absolute religöser Zum-Friedhof-geh-Tag, weshalb er auch schul- und landesweit frei ist. Es wird schon seit einer Woche Blumengesteck aus Blumen oder Papier gebastelt und verkauft, die seither auf Käufer und ihr Ende als Dekoration auf dem Grab von Angehörigen warten. Wir schauen uns das am Nachmittag natürlich auch an, da ist allerdings „nicht mehr so viel los“. Was ungefähr zehn Verkäufer und fast 100 Menschen vorm und im Friedhof bedeutet. Es wird, ganz nach Jahrmarktstradition Zuckerwatte, Popcorn und anderes Esszeugs verkauft. Es kommen mittels öffentlichen und kleinen, privaten Bussen auch viele Menschen aus den umliegenden Gemeinden um ihre hier begrabenen Verwandten zu besuchen.

Der Friedhof hat keine gekennzeichneten Wege, man geht machmal unabsichtlich über Gräber, die oft nur aus einem kleinen Holzkreuz bestehen. Sehr wenige Gräber sind auch mit Zaun oder gar kleinem Eisendach verziert, aber die Mehrheit der Gräber hat nur Eines gemein: Blumen. In tranparenten Plastiksäcken eingeschweißte Blumenringe auf den Kreuzen, lose Blumenblätter am Boden. Die ärmeren Gräber sind nur mit selbstgepflückten Blumen geschmückt. Und überall sitzen Angehörige der Gräber, weil man schon so weit gereist ist oder einfach, um die Blumen vor stehlenden Strolchen zu verteidigen.

Es herrscht noch Baustelle und mitunter eigenartige Sicherheitsvorstellungen 😉

In der kurzen Woche haben Lina und ich dann noch ein großes Projekt in Angriff genommen: Das letzte große Geburtstagsfest geschenketechnisch zu organisieren. Es gibt nämlich einige Schachteln mit Kleiderspenden, die als Geschenke für die Kinder gedacht sind. Das Problem war dann allerdings, erst mal die Geburtstagskinder zu eruieren und dementsprechend viele Pakete zusammen zu stellen. Nachdem es sich nur um die letzten drei Monate – Oktober, November, Dezember – handelt, weil alle anderen schon ihre Geschenke erhalten haben, war es nicht so schwer die ungefähr 60 Kinder aus dem Einschreibeheft zu suchen. Es wird aber noch schwieriger werden, uns wurde nämlich zugetragen, dass kein einziges Kind aus dem Manualidades-Kurs gefeiert wurde und die Kinder im Computerkurs nicht unbedingt im eigentlich als allwissend bezeichneten Heft aufscheinen. Wenn dann aber die Kinder erfahren, dass es Geschenke gibt, wird vielleicht der Eine oder Andere noch behaupten, er habe auch Geburtstag, oder wurde noch nicht gefeiert …

Ein weiteres Projekt nimmt Formen an, krankt aber noch an zwei entscheidend gravierenden Problemen: Die Filmnacht. Die Leinwand ist inzwischen fertig, hängt im Computerzimmer bei mir zu Hause und sieht einfach riesig aus. Sowohl in Größe als auch in Erscheinung. Fehlen tut aber noch der Beamer und der Film. Der Beamer kann ausgeborgt werden und es wurde sogar von einem eh notwendigem Kauf gesprochen. Inzwischen steht für mich als Film WALL-E fest. Und zwar deshalb, weil es ein Film für Jung und Alt ist und das Thema Verantwortlichkeit für Müll und Verschmutzung der Umwelt ist, das hier immer wieder angeschnitten aber trotzdem geflissentlich ignoriert wird. Nachdem der Film hier sehr unbekannt ist, werde ich wohl auf Werbung á la „Wie Shrek und Ice Age!“ einschlagen müssen, denn wenn ich Müll erwähne, vermutet jeder einen klassisch langweiligen Fortbildungsfilm.

Hier wieder eine kleine Umfrage: Was für Filme könnte man sonst noch so zeigen? Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen und trotzdem mit einer nicht allzu versteckten Botschaft. Shrek und Ice Age sind hier zum Beispiel total beliebt, fallen mir aber nicht durch grandiose Handlung oder Botschaften auf 😀 .

Der völlig runde Zeichensaal ausgebreitet in einem 360°-Panorama

Und gerade eben, mitten am Samstag Nachmittag ist es richtig gefährlich geworden …
Angelika und ich gehen auf der Suche nach einer passenden DVD für die Filmnacht zum Hauptplatz, nur um festzustellen, dass das einzige Geschäft in Condega, das diese anbietet geschlossen hat. Aber wenn man schon mal auf den Beinen ist, kann man auch gleich noch ein bisschen spazieren gehen. Also auf zum Fluss, dort kennt Angelika eine fesche Stelle, war dort schon mal alleine auf Entdeckungsreise. Nach etwa einer halben Stunde herumsitzen, reden und Fotos machen schaut Angelika auf einmal angespannt in die Richtung, der ich den Rücken zugekehrt habe und sagt, da seien zwei maskierte Männer. Ich drehe mich um und sehe gerade noch einen der Beiden im reichlichen Ufergestrüpp verschwinden. Ich packe meine Kamera ein, Angelika ein knallrotes Trillerpfeifchen aus und wir verlassen in entgegengesetzte Richtung den „Strand“. Ständig nach hinten blickend, ob die Beiden denn näher kommen. Bis wir die Straße erreichen, passiert überhaupt nichts mehr, wir denken schon, wir hätten sie abgeschüttelt. Auch so wirklich unsicher fühlen wir uns noch nicht, ist die vermeintliche Gefahr doch fast 100 Meter hinter uns.

Da wir die Straße aber an einer anderen Stelle erreichen, als wir sie verlassen haben, müssen wir uns entscheiden, ob wir weiter weg gehen, oder doch wieder ein bisschen in ihre Richtung zurückgehen, wo wir wissen, dass in nach weniger als 100 Metern die Bäume aufhören und nach einer Rechtskurve 50 Meter weiter das erste Haus steht. Das Haus ist aber wegen einem Hochwasserschutzwall, über den die Straße führt noch nicht sichtbar. Dafür jedoch einer der Maskierten, der gerade seine Maske, also sein weißes, hochgezogenes T-Shirt ein bisschen zurechtrückt, was wirkt, als hätte er aufgegeben und sich außerdem offenbar unbeobachtet fühlt. Wir besteigen den Wall und nachdem bei dem Haus auch jemand gut sichtbar vor der Gartentür steht und dabei vergleichsweise nett aussieht, entscheiden wir uns für den bekannten Weg – Trillerpfeifchen in Bereitschaft. Nach ein paar Schritten kommt uns ein Motorrad entgegen, die Unsicherheit wird schon wieder weniger.

Nach etwa drei Viertel des Weges sehen wir allerdings den schwarz maskierten Kameraden im Gebüsch links von uns; sitzend und offensichtlich auf uns lauernd. Wir gehen flott weiter, ich sehe durch ein Loch im Gebüsch dem wahrscheinlich nicht mehr als 25 Jahre alten Mann ins Gesicht, das nur noch aus Augen und Nase besteht, die aus der Öffnung seines T-Shirts lugen. Wir beginnen zu laufen und beim nächsten Blick zurück ist schon eine mit Machete oder Knüppel bewaffnete Person mit zehn Metern Abstand hinter uns her. Wir beginnen zu rennen, Angelika ihr Trillerpfeifchen zu benutzen und schon erreichen wir die Kurve. Der Maskierte verschwindet wieder und wir erreichen unbeschadet aber mit Puls 200 das Haus, vor der völlig unbeeindruckt der ältere, aber nette Herr steht, der uns erst auch gar nicht weiter beachtet. Erst als ihn Angelika anspricht und kurz umreißt, was geschehen ist, ist er ganz aus dem Häuschen und erklärt uns, dass hier gerne mal die Vagos (meist arbeitslose, manchmal trinkende Unruhestifter; sehr oft auch Bandenmitglieder) unterwegs wären, „auch mit Messer und Aufschlitz-Handbewegung„. Als wir uns dann vom Ort des Geschehens entfernen, kommt die gesamte Familie aus dem Haus, der alte Mann zeigt in Richtung Fluss und erklärt vermutlich, wieso da jetzt zwei Ausländer ganz aufgeregt vorbeigekommen sind.

Rückblickend lässt sich aber auch von Glück und absolut dummen Banditen sprechen. Wir haben in der „Nachbesprechung“ einige Fehler ihrerseits und sogar unsererseits entdeckt. Zum Beispiel haben wir verabsäumt uns mit einem der reichlich vorhandenen Steinen zu bewaffnen. Der Bandit hat aus irgend einem, uns unklarem Grund verabsäumt früh genug aus seinem Hinterhalt zu kommen, was uns so unbewaffnet vor ein gewaltiges Problem gestellt hätte.

Jetzt verstehen wir auch, wieso es hier ständig Meldungen über Banden und Überfälle gibt, die bisher als Unfug oder Übertreibung abgetan wurden. Wir haben jetzt bis auf Weiteres sämtliche selbstständigen explorativen Tätigkeiten eingestellt und der Drang danach wird sich vorraussichtlich auch – zumindest in nächster Zukunft – nicht so schnell wieder melden. Heute Abend jedenfalls gehen wir mit Rey Antonio, dem Sohn von Martha (der normalerweise in Managua wohnt, aber heute auf Besuch da ist) noch fort 😉 .
Natürlich mit mehreren Menschen, die dann fast alle Nicas sind und natürlich ein bisschen besser als diese naiven Touristen Bescheid wissen, wo man hingehen kann und wo nicht 😀 . Wir geben nicht kleinlaut bei 😉 .

Also, braucht euch keine Sorgen machen, wir haben das jetzt wieder im Griff.

Und die Umfrage nicht vergessen 😉

Saltamonte

Hier bin ich wieder.

Der 2. November ist hier ein absoluter Zum-Friedhof-geh-Tag. Es wird schon seit einer Woche Blumengesteck aus Blumen oder Papier gebastelt und verkauft, die seither auf Käufer und ihr Ende als Dekoration auf dem Grab von Angehörigen warten. Wir schauen uns das am Nachmittag natürlich auch an, da ist allerdings „nicht mehr so viel los“. Was ungefähr zehn Verkäufer und fast 100 Menschen vorm und im Friedhof bedeutet. Es wird, ganz nach Jahrmarktstradition Zuckerwatte, Popcorn und anderes Esszeugs verkauft. Es kommen mittels öffentlichen und kleinen, privaten Bussen auch viele Menschen aus den umliegenden Gemeinden um ihre hier begrabenen Verwandten zu besuchen.

Der Friedhof hat keine gekennzeichneten Wege, man geht machmal unabsichtlich über Gräber, die oft nur aus einem kleinen Holzkreuz bestehen. Sehr wenige Gräber sind auch mit Zaun oder gar kleinem Eisendach verziert, aber die Mehrheit der Gräber hat nur Eines gemein: Blumen. In tranparenten Plasticksäcken eingeschweißte Blumenringe auf den Kreuzen, lose Blumenblätter am Boden. Die ärmeren Gräber sind nur mit selbstgepflückten Blumen geschmückt.

Und gerade eben, mitten am Nachmittag ist es richtig gefährlich geworden …
Angelika und ich gehen auf der Suche nach einer passenden DVD für die Filmnacht zum Hauptplatz, nur um festzustellen, dass das einzige Geschäft in Condega, das diese anbietet geschlossen hat. Aber wenn man schon mal auf den Beinen ist, kann man auch gleich noch ein bisschen spazieren gehen. Also auf zum Fluss, dort kennt Angelika eine fesche Stelle, war dort schon mal alleine auf Entdeckungsreise. Nach etwa einer halben Stunde herumsitzen, reden und Fotos machen schaut Angelika auf einmal angespannt in die Richtung, der ich den Rücken zugekehrt habe und sagt, da seien zwei maskierte Männer. Ich drehe mich um und sehe gerade noch einen der Beiden im reichlichen Ufergestrüpp verschwinden. Ich packe meine Kamera ein, Angelika ein knallrotes Trillerpfeifchen aus und wir verlassen in entgegengesetzte Richtung den „Strand“. Ständig nach hinten blickend, ob die Beiden denn näher kommen. Bis wir die Straße erreichen, passiert überhaupt nichts mehr, wir denken schon, wir hätten sie abgeschüttelt. Auch so wirklich unsicher fühlen wir uns noch nicht, ist die vermeintliche Gefahr doch fast 100 Meter hinter uns.
Da wir die Straße aber an einer anderen Stelle erreichen, als wir sie verlassen haben, müssen wir uns entscheiden, ob wir weiter weg gehen, oder doch wieder ein bisschen in ihre Richtung zurückgehen, wo wir wissen, dass in nach weniger als 100 Metern die Bäume aufhören und nach einer Rechtskurve 50 Meter weiter das erste Haus steht. Das Haus ist aber wegen einem Hochwasserschutzwall, über den die Straße führt noch nicht sichtbar. Dafür jedoch einer der Maskierten, der gerade seine Maske, also sein weißes, hochgezogenes T-Shirt ein bisschen zurechtrückt, was wirkt, als hätte er aufgegeben und sich außerdem offenbar unbeobachtet fühlt. Wir besteigen den Wall und nachdem bei dem Haus auch jemand gut sichtbar vor der Gartentür steht und dabei vergleichsweise nett aussieht, entscheiden wir uns für den bekannten Weg – Trillerpfeifchen in Bereitschaft. Nach ein paar Schritten kommt uns ein Motorrad entgegen, die Unsicherheit wird schon wieder weniger.
Nach etwa drei Viertel des Weges sehen wir allerdings den schwarz maskierten Kameraden im Gebüsch links von uns; sitzend und offensichtlich auf uns lauernd. Wir gehen flott weiter, ich sehe durch ein Loch im Gebüsch dem wahrscheinlich nicht mehr als 25 Jahre alten Mann ins Gesicht, das nur noch aus Augen und Nase besteht, die aus der Öffnung seines T-Shirts lugen. Wir beginnen zu laufen und beim nächsten Blick zurück ist schon eine mit Machete oder Knüppel bewaffnete Person mit zehn Metern Abstand hinter uns her. Wir beginnen zu rennen, Angelika ihr Trillerpfeifchen zu benutzen und schon erreichen wir die Kurve. Der Maskierte verschwindet wieder und wir erreichen unbeschadet aber mit Puls 200 das Haus, vor der völlig unbeeindruckt der ältere, aber nette Herr steht, der uns erst auch gar nicht weiter beachtet. Erst als ihn Angelika anspricht und kurz umreißt, was geschehen ist, ist er ganz aus dem Häuschen und erklärt uns, dass hier gerne mal die Vagos (meist arbeitslose, manchmal drinkende Unruhestifter; sehr oft auch Bandenmitglieder) unterwegs wären, „auch mit Messer und Aufschlitz-Handbewegung„. Als wir uns dann vom Ort des Geschehens entfernen, kommt die gesamte Familie aus dem Haus, der alte Mann zeigt in Richtung Fluss und erklärt vermutlich, wieso da jetzt zwei Ausländer ganz aufgeregt vorbeigegangen sind.
Rückblickend lässt sich aber auch von Glück und absolut dummen Banditen sprechen. Wir haben in der „Nachbesprechung“ einige Fehler ihrerseits und sogar unsererseits entdeckt. Zum Beispiel haben wir verabsäumt uns mit einem der reichlich vorhandenen Steinen zu bewaffnen. Der Bandit hat aus irgend einem, uns unklarem Grund verabsäumt früh genug aus seinem Hinterhalt zu kommen, was uns unbewaffnet vor ein gewaltiges Problem gestellt hätte.

Jetzt verstehen wir auch, wieso es hier ständig so viele Schreckensmeldungen gibt, die bisher als Unfug oder Übertreibung abgetan wurden. Wir haben jetzt bis auf Weiteres sämtliche selbstständigen explorativen Tätigkeiten eingestellt und der Drang danach wird sich vorraussichtlich auch – zumindest in nächster Zukunft – nicht so schnell wieder melden. Heute Abend jedenfalls gehen wir mit Rey Antonio, dem Sohn von Martha (der normalerweise in Managua wohnt, aber heute auf Besuch da ist) noch fort 😉 .

Natürlich mit mehreren Menschen, die dann fast alle Nicas sind und natürlich ein bisschen besser als diese naiven Touristen Bescheid wissen, wo man hingehen kann und wo nicht 😀 . Wir leben also noch und ziehen uns nicht völlig zurück 😉 .

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„Fantasielose Müdigkeit“ …

… ist schuld an diesem Titel.
… ist schuld daran, dass wieder mal nur ein Revueartikelchen entsteht.
… ist schuld daran, dass die Ideen sich immer noch weigern niedergeschrieben zu werden.
… ist was grässliches.

Freitag, 15.10.
Die Bauarbeiter sind da (im Fraternidad). Sie hauen alles kurz und klein (den schlechten Belag des Vordaches). Sie errichten eine Mauer (damit der Hang nicht in den Abfluss rutscht). Sie reparieren (die beiden WCs). Sie verputzen einige Außenwände (damit man Murals drauf malen kann). Dafür errichten sie Konstruktionen, die in Europa physikalisch ähnlich funktionieren, dort aber definitiv sicherer aussehen (Gerüste). Und meine Kamera erstmals in Kinderhänden (denen von Alberto Jesus).

Und das ist das Ergebnis - oder besser: eines von vielen

Und natürlich kann eine Baustelle nicht ohne Staub leben, schon gar nicht, wenn Beton weggestemmt wird.

Damit man ein ungefähres Bild davon bekommt 😉

Gleichzeitig wird (unangekündigt, sonst würden alle daheimbleiben) ein Kurs abgehalten, der den Kindern Drogen ausreden soll. Es werden unter anderem Plakate gestaltet, Gruppengespräche geführt und ein Film gezeigt. Und mittendrin zockel ich immer wieder mit zwei Kameras durch das Geschehen. Meiner, zum Fotografieren und der des Projekts, zum Filmen.

Fleißig am Plakateschreiben

Nach der Nachmittagsvorstellung wird noch herumgesessen und die Kinder „beschnuppern“ den Neuzugang Angelika. Ich nutze das wieder ganz unverschämt aus und schieße Fotos 😛

Sonntag, 17.10.
Es gibt wieder mal Henderl zum Mittagessen. Es wurde schon am Samstag gekauft und lief seither im Garten herum, jetzt schwimmt es jedenfalls in der Suppe auf dem Holzofen.

Die Farben sind Kunst. Behaupte ich mal 😛

Ich gebe außerdem die Insektensammlung auf, weil wir kein Formalin bekommen und die Tierchen so grausiglich zu stinken beginnen würden. Die Tarantel lasse ich aber nicht im Garten aus – da würde sie gleich wieder gejagt werden – sondern transportiere sie an einen (hoffentlich) sicheren Platz. Und so gibt es jetzt auch ein Bild in beinahe freier Wildbahn.

Für ein Portraitfoto wollt ich mich aber dann doch nicht in die Wiese legen 😉

Von den Nicaraguanern wird behauptet, sie würde beißen und einen sofort lähmen oder umbringen (je nachdem, wen man fragt 🙂 ), von zwei Österreichern wird behauptet, dass sie beißen könnte, aber nicht will und das Gift wäre auch nicht soooo schlimm. Naja, ich bleibe auf der sicheren Seite und halte Abstand 😀

Montag, 18.10.
Die offizielle Willkommensfeier für Angelika steht an und wird dann (mit einer Stunde Verspätung) auch begonnen. Es wird wieder getanzt, gespielt und gelacht. Unter anderem tritt Belma mit der freiwillig mitarbeitenden Professorin auf.

Belma tanzt den Mexikaner

Es sieht schräg aus und ich habe noch nie das gesamte Publikum so lachen sehen

Mittwoch, 20.10.
Ein Ronron hat den Esstisch gefunden, aber seinen Gleichgewichtssinn verloren. Er geht zwei Schritte, dann kippt er um und zappelt hilflos. Wieder aufgestellt beginnt das Spiel von vorne. Auch in der Wiese ergeht es ihm nicht viel besser, ich habe indessen nur Probleme, das zappelnde Ding auf meine Speicherkarte zu bringen 🙂

So siehts aus und ist dabei sogar noch eher klein

Donnerstag, 21.10.
Die Vogelwelt hier ist hier viel bunter und schriller als in Österreich. Nicht nur in Formen und Farben, sondern auch in Gesang und dessen Lautstärke. Ein besonders schräges Exemplar hat vor ein paar Tagen für ein paar Sekunden im Garten Halt gemacht: Orange wie ein Textmarker, mit schwarzen Streifen wie ein Tiger. Den muss ich mir mal vornehmen 😉 . Auch der Guardabarranco ist mir inzwischen schon ein paar Mal erschienen, allerdings immer in Zeiten ohne Kamera. Ein kleiner gelbbauchiger Flugkünstler hat aber bei einer Zwischenmahlzeit in Form von Beeren lange genug stillgehalten, sodass er sich jetzt im Internet wiederfindet.

Aber er beobachtet mich sicherheitshalber schon ganz genau 😉

Allgemeines Geplänkel
Um nachfragen zu können, für welche Computerkurse in der Bevölkerung Interesse besteht, fragt mich Leonell nach den dafür in Frage kommenden Programmen aus. Als ich ihm dann Videoschnitt anbiete meint er ohne Umschweife „Das könnte man dann den drei condegianischen Fernsehstationen anbieten!“ – vermutlich gegen kostenlose Werbung 😉 . Es ist nämlich so, dass die hiesigen Sender alle mit dem Windows Movie Maker arbeiten. Und das ist so, als ob man als Fotograf mit Paint arbeiten würde. Man sieht es den selbstgeschnittenen (und beinahe ausschließlich lokalen) Werbungen und Nachrichten auch an, die alle Spezialitäten des Movie Makers ausprobieren. Szenenwechsel mit Effekten, die selbst in PowerPoint eigentlich nichts zu suchen hätten (fliegende Herzen, hüpfende Bilder, „Umblättereffekt“, …) als kleine Hilfestellung für die Fantasie des Lesers. Dazu trägt die schon etwas betagtere Ausstattung – sowohl Kameras als auch Computer – noch ihren Teil bei. Eine High-End-Video-Editing-Software erwarte ich nicht vorstellen zu brauchen …

Mittlerweile habe ich es geschafft, auf beinahe allen Computern des Computerkurses funktionierende Antivirenprogramme zu installieren, dabei sind aber schon wieder mindestens fünf Maschinen mit Neu-Aufsetz-Bedarf aufgefallen. Aber es ist immer noch so, dass ein USB-Stick gröbstens verseucht zurückkommt, wenn er an diversen, speziellen Computern angesteckt wird. Auch muss man den Kindern endlich beibringen, die Antivirenmeldungen nicht wegzudrücken, sondern den Virus zu eliminieren. Das wird noch ein Haufen Arbeit 😐

Zwischenzeitlich hatten wir diese Woche drei Hühner in der Dusche stehen. Das rührt daher, dass zu Weihnachten ganz Condega Huhn essen will. Da das Angebot aber nicht so flott steigt, oder die Verkäufer einfach ihr Weihnachtsgeld etwas auffetten wollen, steigt der Preis um diese Zeit ganz gewaltig an. Ja, in Wirtschaft war ich immer schon die große Leuchte 😛 . Auf jeden Fall hat man deshalb schon mal ein paar Henderl auf Vorrat gekauft, die jetzt bei Belma auf ihr Ende warten. Um aber den Käfig fertig zu bauen, haben sie erst die Zwischenstation in unserer Dusche passiert 😉

Und weil ich jetzt schon wieder so lange vorm PC hocke und eigentlich lieber schlafen würde, höre ich wieder auf 🙂

Wie gesagt, es gibt bereits Ideen für weitere Artikel … also stay tuned 😉

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Spezial-Misch-Masch-Artikel

Jetzt hab ich aber schon lange nicht mehr von mir lesen lassen. Ich werde das mit einem Spezial-Misch-Masch-Artikel wieder gut machen 🙂

Donnerstag, 7.10.
Seit Donnerstag vor einer Woche habe ich Jóse, den kleinem Cousin der Familie, in die Geheimnise von Mario Kart auf einem Emulator für Nintendo 64 eingeführt. Für alle, die jetzt so ungefähr nur Bahnhof verstehen (ich denke da ganz klischeehaft an ältere Semester 😉 ), Nintendo 64 ist eine Spielekonsole aus dem Jahre 1997, die zur Zeit in Richtung Kultstatus unterwegs ist. Emulator heißt ein Programm am PC, das auch Spiele der Konsole lesen und darstellen kann, weil das natürlich wieder ein Spezialformat ist. Das Spiel Mario Kart ist ein Autorennspiel in Comicgrafik und mit schräger Bewaffnung (um Gegner auszuschalten) á la Schildkrötenpanzer, Bananen oder Unbesiegbarkeit. Das Spiel ist also dementsprechend alt in Bezug auf Grafik und Möglichkeiten. Nach kurzer Zeit kommt auch noch Franclin, ein weiterer Cousin und am nächsten Tag auch noch Gabriel, Franclins Bruder um mitzuspielen. Es wird dazu dann auch die USB-Tastatur des Standrechners benötigt, damit überhaupt noch jemand Platz hat. Obwohl das Spiel auch Modi für bis zu vier Spieler anbietet spielen wir nach kurzer Zeit nur jeweils zu zweit, weil bei doppelter Tastaturbelegung manchmal die Fähigkeit zu lenken aussetzt, was für Fahranfänger dann in Mauern und Abründen endet. Auf jeden Fall wird seither jeden Abend gezockt, es hat sich das Angebot aber schon etwas verändert, weil Gabriel Spiele mitbringt, die sein PC nicht schafft. Was deshalb aber nicht heißt, dass sie hochmodern sind, das heißt nur, dass sein PC schon etwas älter ist – Stichwort Videotreiber von 1996 😉 .

Freitag, 8.10.
Da ist am Vormittag erst mal überhaupt nichts Spannendes passiert. Das hat sich dann bis am Nachmittag auch nicht verändert. Und so ist der Freitag auch wieder zu Ende gegangen. Gut, ich hätte mir den Bericht vom Freitag also sparen können, aber nachdem hier nach zwei Monaten schon etwas Routine eingetreten ist, sieht es fast jeden Tag so aus. Deshalb auch immer weniger Artikel von mir. Aber ich habe wieder ein paar Ideen für Artikel, die müssen nur leider noch geschrieben werden, weil das die faulen Hunde nicht selber machen wollen 😛

Samstag, 9.10.
Am Samstag gehe ich mit Adriana zu der Party eines 15. Geburtstags. Das Fest ist für eine junge Dame, deshalb auch so speziell. Der 15. Geburtstag hat in Nicaragua für Mädchen nämlich eine besondere Bedeutung, da wird besonders groß aufgetischt, alles besonders rosa eingefärbt und der Vater stellt besonders stolz seine jetzt quasi erwachsene Tochter den Festgästen vor. Erwachsen in der Kommune, nicht vor dem Gesetz.

Bevor wir aber losgehen und ich mir dieses Spezialfest mal genauer ansehen kann, tischt mir Marta noch schnell das Abendessen auf. Obwohl mir gesagt wurde, dass es dort auch etwas zu Essen geben wird. Nachdem Marta aber weiß, dass wir bald gehen und wohin und was das ist, denke ich mir nichts dabei und esse brav auf. Als wir die Straße entlang gehen (das Geburtstagskind wohnt keine zwei Blocks entfernt) wird die Musik immer lauter und man kann immer genauer erkennen, wer alles vor der der Haustüre steht und wartet, dass das Fest beginnt. Ich kenne exakt niemanden, aber auch Adriana sagt nur, dass das wohl die Freunde des Geburtstagskindes sein müssen.

Jetzt im Schnelldurchlauf mit Augenmerk auf die Kuriositäten und Spezialitäten eines 15. Geburtstag für Mädchen in Nicaragua: Alles ist rosa. Die vier Torten, die Deko, die Geschenkesackerl und alles wirkt wie ein verkleinerter Hollywoodfilm. Es wird Musik für Jugendliche gespielt – und das nicht zu leise – zu der die drei älteren Damen wohl ausnahmsweise nichts sagen. Als dann Essen aufgetischt wird, fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, so einen Berg kann ich auch bei leerem Magen nicht verdrücken. Mir wird von anderen Gästen und Adriana mit einem riesen Grinser im Gesicht erklärt, dass ich auf keinen Fall etwas liegen lassen kann, dass ich bleiben muss, bis ich alles verputzt habe. Tatsächlich komme ich bis zur Mitte, dann ist absolute Schluss. Nach dem Essen wird getanzt. Die Tradition verlangt, dass die junge Dame einen Walzer mit ihrem Papa und einen anderen Tanz mit dem Freund zur Eröffnung zu tanzen. Das wird etwas verändert und ein nicht ganz klassischer Walzer mit spanischem Gesang gespielt und geschunkelt; ob der Nervosität sind keine originalen Walzertanzschritte zu erwarten. Danach wird wieder Flotteres aufgelegt und die Jugendlichen toben sich ein bisschen aus. Dann wird die Torte angeschnitten (dreimal, damit auch wirklich jeder ein Foto oder Video der ganzen Aktion hat) und das Fest ist auch schon wieder fast vorbei. Es wird wohl noch mit den Freunden weitergefeiert werden, aber wir bekomme als Wegration ein Stück von Torte Nummer 1 und ein Andenken, das ein kitschiges und rosa – was sonst – „15. Geburtstag“ Herzpüppchenplastikding darstellt, mit. Das Tortenstück gebe ich aber sofort an Franclin weiter, weil ich kann kein Essen mehr sehen.

Sonntag, 10.10.
Ein besonderes Datum, ein schräges Foto:

Wir haben entschieden, Eneri nach Europa zu schicken 😉

Am Abend gehen wir zu einem beinahe neuem Grundstück meiner Gastfamilie. Genauer, dürfte es Eneri oder Adriana gehören und irgendwann angefangen werden dort ein Häuschen zu bauen, damit das Haus, in dem jetzt alle wohnen, nicht irgendwann aus allen Nähten platzt.

Dienstag, 12.10.
Am Dienstag diese Woche läuft den ganzen Abend so nebenbei im Laden CNN en español um ja nichts Wichtiges der Rettungsaktion in Chile zu verpassen. Um 21 Uhr ist es soweit, ich werde vom Computerspielen weggezerrt und es wird gespannt beobachtet, wie der erste Minero aus der Rettungskapsel steigt. Nüchtern und im Nachhinein betrachtet war das Ganze extrem unspektakulär, aber in Anbetracht der Umstände stehen Martas Schwester Magda sogar ein bisschen die Tränen in den Augen.

Mittwoch, 13.10.
Mein drittes Monat bircht an. Am Abend wird wieder gezockt, bis eine Tarantula auftaucht. Nicht unähnlich meinem Freund im Moskitonetz, selig. Daraufhin beginnt ein Tanz um den Mangobaum, hinter dem sie immer wieder verschwindet und um den ihr Gabriel hinterherhupft um ihr drauf zu hupfen. Schließlich wird zum Besen gegriffen und das Tier hat dran zu glauben. Allerdings wird die Aktion wieder einmal so stümperhaft gemacht, dass in dem übrig gebliebenem Haufen keine Spinne mehr zu erkennen ist. Also wieder kein Foto. Und ich habe das erste Mal einen völlig verrückten nächtlichen Ideenschub, sodass ich erst kurz vor Mitternacht den Block weglegen kann um mich endgültig hinzulegen.

Donnerstag, 14.10.
Um sechs Uhr weckt mich netterweise der Nachbar, weil er irgendwas herumhackt. Trotzdem bin ich sofort putzmunter. Meine Ideenliste ist zwar noch unvollständig, aber ich habe den ganzen Tag das Gefühl, die Welt zu verändern, stehe total unter Strom. Vermutlich auch deshalb kommt endlich wieder ein Blogeintrag 😉 . Die Ideen gehen von Bäume (die schon in Sackerl im Projekt stehen) setzen über diverse Zeichenmethoden ausprobieren bis hin zu alles umfassende Kurse um zwei Monate Ferien mit 40 Wochenstunden Arbeit zu füllen.

Und aktuell und im Hier und Jetzt
werde ich belagert, von inzwischen offenbar computersüchtigen Cousins (8 und 10), die unbedingt fordern, dass ich sofort aufhöre zu schreiben, oder zumindest schneller schreibe. Zwischendurch werde ich zu ihrem Unmut noch einer Tarantel vorgestellt, die ich dann sogleich für ein neues Projekt, das ich im Fraternidad angerissen habe, begeistern kann: Insektensammlung! Also gut, Marta hat das gut zehn Zentimeter große Tierchen eingefangen und es so zu einer kurzzeitig interessanten Abwechslung zwischen Mit-Socken-Abschießen und Jammern, ich solle mich spuren mit meinem blödem Text, den ja keiner lesen kann, für die beiden Plagegeister gemacht 🙂

So. Für morgen wurde ein Filmdreh über Nein zu Drogen angekündigt, dazu noch etwas spezielles, von dem die Kinder noch nichts wissen durften, weil sie sonst nicht kommen würden. Außerdem ist Spieletag. Mal schaun 😉

Zum Schluss weise ich noch schnell auf sämtliche mir bekannten (und aktuell geführten) Condega-Blogs hin:

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Noch ein Tag – Episode 4

Es ist zum Haareraufen! Ich wollte keine Episode meines Leidensweges mehr bringen, aber es ist unvermeidlich …

Mittwoch, 30.9.

Das Absetzen und Ersetzen des großen mit dem kleinen Medikament bringt keine Linderung der allergischen Reaktion. Dann kommen auch noch Halsschmerzen dazu, die vor allem das Schlucken von allem erschweren. Ich schiebe das was grippales, weil man im Krankenhaus immer etwas kuriert und mit was Neuem nach Hause geht. Wir haben auch die erste Injektion um einen Tag verschoben, weil wir alle keinen richtigen Zug ins Krankenhaus haben.

Donnerstag, 1.10.
In der Früh kann ich nur einen Toast essen, weil mir mein Halsweh so enorm wehtut, dass ich nicht mal meine Spucke mehr schlucken möchte. Ein Blick in den Spiegel (bei geöffnetem Mund) offenbart eine rote, gleichmäßige Schwellung rund um den Rachen, auf der noch als I-Tüpfelchen ein Fieberbläschen sitzt. Und zwar ein verdammt großes. Geschwind ins Krankenhaus huschen und Arzt fragen! Oder zusammenscheißen! Oder beides! Im Krankenhaus finden wir eine Ärztin, die uns sagt, wir sollen zu dem anderen Arzt hier gehen. Der will aber grad telefonieren und schickt uns zum Arzt in der Notaufnahme. Der hat aber grad einen Haufen Patienten und will niemanden vorlassen.

Das reicht Martha dann auch schon, wir verlassen mit entrüstetem aber zu alles entschlossenem Blick die Klinik. Es wird beschlossen, nach Somoto oder Estelí zu fahren, die haben mehr Doktoren zur Auswahl. Der bevorzugte Doktor in Somoto ist aber nicht erreichbar, deshalb fahren wir nach Estelí. Martha erklärt mir auf dem Weg zum Bus, dass alle öffentlichen Ärzte das gleiche Gehalt bekommen, egal wieviel und wie gut sie in der Klinik arbeiten. Und in Condega hat sich gerade die Elite versammelt; kein guter Augenblick für Allergien.

Das Krankenhaus in Estelí ist ein hellblau gestrichenes Haus, auf dem Farmacia steht. Es gibt eine Tür in die Apotheke und eine ins Ungewisse, was sich als Wartezimmer (nach beinahe europäischem Standard) herausstellt. Das Wartezimmer ist bis auf eine Dame leer, von der ich nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob sie hier arbeitet oder Patientin ist. Nachdem die Empfangsdame zufällig das Wartezimmer betritt, trägt Martha die Sachlage vor und wir werden sofort zum Doktor durchgestellt. Der hört sich die Geschichte auch noch einmal an, nickt ständig wissend und will dann meinen Behandlungszettel aus Condega sehen. Er sagt, viele Weiße wären allergisch gegen Antibiotika. Das hätte der verschreibende, oder zumindest der zweite, korrigierende Arzt wissen und testen müssen. Er verbietet mir alle Medikamente, die ich in Condega bekommen habe (also auch die Injektion 😉 ) und schreibt ein riesiges Rezept mit wahnsinnig vielen Dingen, aber alles mehr oder weniger Natürlich. Sofern eine Tablette irgendwie noch natürlich sein kann …

Bei Verlassen des Behandlungszimmers bekommen wir das Rezept nicht in die Hand gedrückt und auch zahlen müssen wir nichts. Das Rezept kommt direkt in die Apotheke nach vorne, wo wir das aufgeschriebene Zeugs dann kaufen müssen. Wir vermuten deshalb, der Arzt ist auch Besitzer der Apotheke 😉

Und weil wir schon in Estelí sind, gehen wir noch zu meiner Bank, essen was (Ich zahle! Hätte ich nicht gedacht, dass ich das auch mal schaffe, aber Martha hat kein Geld mehr dabei und ich bestehe auf sofortiges Essen 😀 ) und gehen dann noch in Marthas Bank. Die ist heute zum Glück nicht so gewaltig überfüllt, ich warte nur eine dreiviertel Stunde auf sie. Und schon gehts wieder zurück in den Bus und auf nach Condega.

Ich kann mir allerdings noch nicht vorstellen, wie ich dem Rat des Docs, viel zu trinken, Folge leisten können soll, weil mir mein Rachen immer noch so gewaltig wehtut, dass es nicht unbeschreiblich bleibt.

Also, liebe Nicaraguareisende: Durchfall immer so gut wie möglich vermeiden, indem man nicht ins Schwimmbad geht, dort nicht badet und nichts isst und trinkt, wenn man nicht weiß woher es kommt und dass es ungefährlich ist. Und vielleicht schon vor der Abreise feststellen lassen, ob man gegen Antibiotika allergisch ist, oder nicht. Wobei ich nicht weiß, ob die Allergie nicht durch ein Medikament hier enstanden ist, was ja durchaus auch möglich sein soll … ich weiß ja, wieso ich Medikamente nicht ausstehen kann! Machen nur die Konzerne (die in Europa und den USA sitzen) fetter als es gut sein kann, machen abhängig, noch kränker oder gar nichts und sind teuer. Gut, natürlich gibt es auch absolut heilende und notwendige Medizin … aber meine war offenbar keins von beiden 😐

Und jetzt schubse ich noch schnell die Hänger die Klippe runter: Radio Fabian ist eine Geschichte, die im öffentlichen Internet wohl fehl am Platz ist. (Der Hänger ist also schon mal schwer gestürzt …) Die Welt ist klein. Tja, das war witzig und hat ausnahmsweise eine gute Seite von Facebook gezeigt. Ich habe mich nämlich auf Facebook einfach so mit Adriana befreundet. Die hat als Freundin dann unsere Nachbarin und Cousine auf ihrer Seite stehen gehabt, deshalb hab ich mir die mal angesehen. Und die hat einen sehr österreichischen Namen in ihrer Freundesliste dabei, den ich einfach mal anklicke. Da ist das eine völlig leere Seite. Das bedeutet auf Facebook, dass ich keine Freunde (außer gemeinsame) sehen kann und auch sonst fast nichts. Und dann scheint da tatsächlich ein gemeinsamer Freund auf, dem ich das erzähle, der das der neu Gefundenen erzählt und die dann kurzerhand Kontakt mit mir aufnimmt. Es stellt sich dann heraus, dass sie drei oder vier Monate hier im Projekt La Fraternidad gearbeitet hat, zwar bei einer anderen Familie gewohnt hat, aber die meiste Freizeit im selben Haus wie ich verbracht hat. Wir basteln also kurzerhand auch noch eine Videokonferenz zusammen und mein Laptop wandert durchs gesamte Haus, damit auch jeder mitreden kann 🙂
Kurz zusammengefasst, bestätigt mir das nur die (inzwischen wissenschaftlich bestätigte) Theorie, dass man jeden Menschen der Welt über fünf bis sechs Ecken kennen würde.

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Der Tag danach – Episode 3

Episode 1
Episode 2

Mittwoch, 29.9.
Um kurz nach sieben Uhr wird mir gesagt, ich dürfe nach Hause gehen, weil der Durchfall endlich aufgehört hat. Jetzt wird dann auch erstmals was gegen die Infektion selbst unternommen, was in Form von zwei Spritzen pro Tag, fünf Tage lang geschehen soll. Dazu wird noch ein Berg an Tabletten aufgeschrieben, von denen es eine zurzeit nicht in der Apotheke des Krankenhauses gibt, aber in der Form auch in keiner anderen Apotheke der Stadt, deshalb wird die wohl warten müssen.

Jetzt hätte ich schon beinahe die angekündigte und mit Freuden erwartete Szene mit dem Pflaster vergessen zu erzählen. Kurz vor Verlassen des Hospitals (Ja wann denn sonst? Nachher? 😛 ) fängt eine Krankenschwester an, das Pflaster schön vorsichtig und Härchen für Härchen abzuzupfen (Gratisteilarmenthaarung), bis es zum Augenblick der Wahrheit kommt und der Anschluss weg muss. Ich kann schon nicht mehr unterscheiden, wo es wehtut, der gesamte linke Unterarm quält sich. Es geht aber relativ rasch vorbei und schon wird mir der drei Zentimeter lange Schlauch gezeigt, der da seit gestern in meiner Vene gehangen hat. Wer hat sich diese barbarische Methode eigentlich ausgedacht? Und das für zwei Spritzen? Ich weiß nicht …

Naja … zuhause wird erst mal geduscht, was wieder verdammt kalt ist, vor allem, weil die Sonne sich immer noch dick mit Nicoles Wolken zudeckt. Aus Richtung Park hört man jetzt immer wieder Feuerwehrsirenen, die allerdings zurzeit nicht im Katastropheneinsatz sind, sondern Spenden sammeln. Wenig später ist die Spendenaktion auch im lokalen Fernsehen zu sehen. Dort wird beklagt, dass erst ungefähr 5000C$ gespendet wurden, was nicht ganz 200€ sind und damit definitiv zu wenig um auch nur annähernd allen zu helfen. Auch wird eine Planierraupe gezeigt, die irgendwo in Condega einen Erdwall in Richtung reißender Fluss aufschiebt.

Am Abend (leider zu spät für Fotos) gehen wir wieder Hochwasser schauen. Auf der Brücke der Panamericana stehen schon allerhand Schaulustige und auch Autos und Motorräder bremsen immer wieder ab oder bleiben stehen, während andere, vor allem die Monster-LKW Marke USA unverminderter Geschwindigkeit vorbeidonnern und die Brücke erzittern lassen. Wir sehen einen zweiten Bagger, der in Richtung der überfluteten Viertel unterwegs ist, um dort seine Arbeit zu verrichten, denn es werden noch weitere Regenfälle in der Nacht erwartet. Um zu sehen, bis wohin das Wasser am Dienstag schon gestiegen ist, gehen wir noch gen Osten bis zum Fluss, der jetzt zwar einen Meter unterhalb des Erdwalls vorbeirauscht, aber mindestens doppelt so breit wie das Flussbett ist. Auf dem Weg zurück wird mir erklärt, dass das Wasser zwei Häuserblocks mit je 100m eingedrungen ist und daraufhin alle Betroffenen in Windeseile evakuiert wurden. Evakuieren bedeutet auch immer, alles mitnehmen und auf Laster und Pickups packen, was nur geht um es bei Freunden oder Verwandten zwischenzulagern. Aber sobald das Wasser wieder zurückgeht, kehren sofort alle zu ihren Häusern zurück, weil die Angst vor Dieben, die alles, was nicht mitgenommen wurde stehlen – mit Vorliebe Wellblech und Dachziegel – groß ist.

Und jetzt gleich noch zum Donnerstag Vormittag, 30.9.
Beim Frühstück fällt mir ein roter Ausschlag auf den Händen auf. Kurz nachgesehen, auch am Bauch und den Unterarmen sind schon rote Punkterl unterwegs. Nachdem ich in der Früh genau eine Tablette genommen habe, ist relativ flott der Urheber verdächtigt, Martha – immer noch nicht ganz genesen, aber schon wieder ständig unterwegs – drängt mich, sofort zum Doc zu gehen, weil das kann gefährlich werden. Der Doc sagt dann, dass das noch keine Allergie ist, aber ich darf das Medikament nicht mehr nehmen (das war sowieso viel zu bitter …) und verschreibt eine alternative Tablette. Die ist nur noch ein Viertel so groß und weist keinen Geschmack auf und wird offenbar dessen Arbeit übernehmen.

Ich habe also gleich einige Premieren innerhalb beunruhigend kurzer Zeit erlebt: Erster stationärer Klinikaufenthalt überhaupt, erste Infusion, erstes condegianisches Hochwasser, erster nicaraguanischer Spitzname (Radio Fabian – wird sich nicht durchsetzen 🙂 ), erste allergische Reaktion mit Resultat Hautausschlag, erstes richtiges die-Welt-ist-klein-Erlebnis, …

So, und heute gibt es zur allgemeinen Entspannung keine Cliffhanger mehr, ich steige wieder auf den „normalen“ Modus um 😉

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Der Tag danach – Episode 2

Episode 1

Dienstag, 28.9.
Von eins bis vier Uhr ist mir schlecht und zum Schluss fällt das Licht aus, der knatternde Benzingenerator – der aber nicht alles versorgen kann – wird angelassen und zwei Ärzte beraten, ob sie die arme, nicht mehr ruhig zu stellende Dame nicht ins nächste größere Krankenhaus nach Somoto schicken sollen. Um sechs Uhr in der Früh ist sie jedenfalls verschwunden. Nachdem ich aufgrund der offensichtlichen Krankheit Marthas selbige schon am Vorabend nach Hause geschickt habe, rufe ich sie jetzt an. Und ratet mal was Martha sagt: „Ich bin krank, habe Fieber und fast nichts geschlafen, weil mir alles wehtut.“ Und trotzdem war es fast schon schwierig sie davon abzubringen, die Nacht an meiner Seite zu verbringen.

Also kommt erst mal Adriana , bringt mir Tee und ungetoasteten Toast (Strom ist noch nicht wieder da) und hilft mir in der jetzt etwas lockereren Unterhaltung mit dem Hernn Doktor. Der meint – genau wie ich – dass die gelben Wunderpillen wohl eher wundersam wirkungslos sind und kündigt eine Infusion an. Als er merkt, dass ich Englisch verstehe („Two or three?“, fragt er mich) ist er glücklich ein paar Wörter aus seinem vermutlich nicht sehr frischem Repertoire: Tea und two pan. Pan heißt Brot, ist eher kein Englisch, sondern Spanisch, stimmt aber im Kontext, darum nicke ich und er kann seine Schicht mit einem zufriedenem Lächeln weitergeben. Wieder eine gute Tat getan und ein guter Eindruck hinterlassen 😉 . Adriana sagt später, das wäre hochnäsig gewesen. Nicht ich, der Doc, als er mit seinem Englisch angegeben hat. Mir hat es nur wieder gezeigt, dass sogar gebildete Menschen hier einfach kein Englisch können.

Nach einiger Zeit wird es Martha wohl wieder zu ungewiss, nur im Haus zu sitzen und kommt – trotz Kopfschmerzen – vorbei. Martha erklärt mir dann auch die Details zu den anderen Leuten im Zimmer. Zwei sind, wie ich, Opfer des Wetters und diverser Infektionen. Der dritte, Harold, ein – von Martha – sogenannter burracho (was genauso abfällig verwendet wird wie auf Deutsch Säufer) mit weniger als dreißig Jahren auf dem Buckel und selbst eingenommenem Gift im Körper. Es dürfte hier nicht unüblich sein, dass sich Trinker, die bemerrken, dass sie die Kontrolle verlieren, Gift nehmen. Harold hat das erste Mal überlebt, bei seiner Abfahrt in die Klinik von Somoto sieht es nicht so aus, als würde das noch einmal passieren. Mich hat die Geschichte tief getroffen, weil ich bis zum Schluss vor allem das Wort veneno, also Gift, nicht wahrhaben wollte, hat er doch am Vortag noch Scherze gerissen und ist von Freunden besucht worden. Rückblickend stelle ich fest, dass lediglich sein Bruder auf Besuch kam, die anderen jungen Männer kamen zu Besuch eines anderen Patienten und haben nur zufällig auch mit Harold gequatscht.

Zu Mittag wird mir dann zwar kein Tropf angehängt, aber ein intravenöser Zugang wird gelegt. Da ich die letzten drei Tage beinahe nichts gegessen habe, alles andere das Eilticket in die große, weiße Schüssel genommen hat, ich Nadeln nicht mag und schon gar nicht so große und überhaupt nicht in Verbindung mit meinem Blut schwindet mir im Schweiße des Angesichts kurzfristig sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Die Ärztin ist ganz besorgt, weil sie glaubt, sie hat was falsch gemacht, während Adriana das witzig findet. Ich fühle mich wie ein Gerät von Gardena, mit dem Anschluss am Unterarm …

Während des Tages höre ich, dass zur Zeit alle verfügbaren Kräfte im Einsatz sind, die meisten allerdings in den Dörfern rund um Condega, um das kleine Spital nicht zu überlasten. Probleme gibt es allerdings in den Dörfern östlich des Flusses, da sämtliche Brücken dorthin überspült und die Fußgängerbrücken inzwischen von den Fluten weggerissen wurden. Die Menschen erfahren, soweit ich das verstehe, keine materielle Hilfe, es gibt keinen Einsatz von Hubschraubern, was vermutlich der einzig verbleibende Weg wäre. Angesichts der hohen Essenspreise und der unterbrochenen Versorgung mit nötigen Medikamenten kommt es vermehrt zu verzweifelten Versuchen, den Fluss zu durchschwimmen. Der Fluss ist jetzt mehr als doppelt so hoch, als normalerweise, dementsprechend unberechenbar sind die Stromschnellen. Tote gibt es bisher allerdings keine, hier in Condega.
Das ist alles noch mein Wissensstand am Dienstag. Ich muss hier etwas vorgreifen und dazusagen, dass ich immer noch nicht wirklich alles verstanden habe und sich etliche Aussagen – zumindest in meiner Übersetzung – widersprechen. Zum Beispiel hat der Fluss bei Hurrikan Mitch die hohe Brücke der Panamericana beinahe überspült, wozu im Augenblick noch gut fünf Meter fehlen. Wie also die Situation – sie heißt jetzt Tropensturm Nicole – teilweise schon als schlimmer als Mitch bezeichnet werden kann, ist mir ein Rätsel. Mir wurde daraufhin erklärt, der Fluss könne nicht mehr so weit steigen, weil da jetzt eine Mauer steht, die die an den Fluss angrenzenden Häuser schützt. Vielleicht merkt ihr auch schon, dass mir da irgendein Detail entgangen sein muss 😀

Gegen Abend bin ich schon in freudiger Erwartung des Zeitpunktes, an dem mir mein dickes fettes Pflaster, das den intravenösen Zugang festhält entfernt wird. Das wurde nämlich aufgrund etwas Armbehaarung gleich besonders großzügig ausgefasst und schön festgedrückt. DAS wird mal ein Moment von „Abreißen oder Abzupfen -Entscheide dich endlich!“ 😐

Um acht kommt eine Krankenschwester und gibt mir eine Spritze. Dabei stellt sie sich ein bisserl patschert an und jetzt habe ich zwei Blutflecken im Bettüberzug. Das Bett ist inzwischen nicht mehr bequem, dazu ist es zu lätschert und mir tut schon mein Rücken weh. Schlafen ist daher schon gewaltig schwierig, vor allem, weil mein Bettüberzug auf dem Plastikuntergrund immer verrutscht wenn ich mich bewege. Das Plastik auf der Matratze hat auch zur Folge, dass ich immer schweißgebadet aufwache. Eine weitere Interessante Tatsache ist, dass das Gefühl für Hunger sich verändert. Ich kann nicht unterscheiden, ob ich gerade Hunger habe, oder ob mein Magen rebelliert, aber wenn ich etwas esse wird er wieder ruhig 🙂

Und wieder ein Cliffhanger. Weil ich aber keinen Spannungsbogen habe (Wo kann man den kaufen?), muss ich meine Cliffhanger ankündigen, damit auch alle davon wissen 😀

Heute, Donnerstag, werde ich mich noch dazu setzen und Episode 3 schreiben, einen Rundgang durch Condega machen und auch davon berichten.

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